Zwangspause, fehlende Einnahmen Zwangspause, fehlende Einnahmen: Der stille Tod wandelt durch Clubszene im Saalekreis

Merseburg/Braunsbedra - Er habe für die kommenden Wochen schon sechs Buchungen gehabt, zwei in der Palette in Halle, vier im Sodaclub in Berlin, berichtet Sebastian Sperber, der in beiden Clubs regelmäßig unter seinem Alias DJ Sky Tunes auflegt. Doch die Auftritte sind wieder abgesagt - wegen Corona.
Dabei wollte Sachsen-Anhalt eigentlich zum 1. November Bars und Diskotheken wieder öffnen lassen. Doch angesichts steigender Infektionszahlen kündigte die Regierung vergangene Woche den Rückzieher erst an und vollendete ihn dann am Dienstag. Man wolle Partytourismus ins Land verhindern, lautete eine Begründung. Die Discos bleiben also bis auf Weiteres dicht.
Für Sperber bedeutet das eine Verlängerung der Zwangspause und erhebliche Einnahmeverluste. Ein bisschen Geld kommt über Hochzeiten und Geburtstage rein, bei denen er auflegt. Aber die großen Auftritte in Clubs oder auf Festivals sind nicht in Sicht. „Dabei plane ich normalerweise ein Jahr im Voraus“, sagt der DJ.
Er habe noch den Vorteil, dass er die Musik nebenberuflich mache. Sein Hauptbroterwerb seien Industriemontagen, doch er kenne sieben, acht Kollegen aus der Region, die nur von der Musik leben. „Für die ist es noch schwerer.“
Vor Landtag in Magdeburg: Disco- und Clubbetreiber demonstrierten
Um auf ihre Situation aufmerksam zu machen, demonstrierten Clubs und Discobetreiber am Dienstag vor dem Landtag. Zuvor hatten sie bereits einen offenen Brief an die Regierung verfasst. Darin kritisierten sie deren Sinneswandel und warnten, dass statt professionell unter Hygienebedingungen organisierter Partys nun mehr illegale mit höherem Ansteckungsrisiko die Folge sein könnten und zeichneten ein düsteres Bild von ihrer wirtschaftlichen Lage: „Der Stillstand der vergangenen sieben Monate und die derzeitige Perspektivlosigkeit bringt nunmehr auch wirtschaftlich bisher völlig gesunde Clubs und Diskotheken an den wirtschaftlichen Abgrund.“ An diesen Betrieben hingen aber zahlreiche Arbeitsplätze.
Auch kritisierten die Betreiber bisherige Hilfeprogramme als unzureichend. Unternehmer und ihr Familie würden auf Hartz-IV-Niveau abrutschen. Wirtschaftsminister Armin Willingmann (SPD) brachte als Antwort Hilfen für die Clubszene ins Spiel, sprach am Dienstag von 6 bis 13 Millionen Euro, die notwendig wären. Beschlossen ist jedoch noch nichts. Zu den Unterzeichnern des Brandbriefes gehörten auch die Betreiber der „Schildkröte“ in Braunsbedra sowie von Oelgrube und Kulturfabrik in Merseburg.
Das Land solle das zahlen, was der Clubszene an Einnahmen entgeht, fordert ein Veranstalter aus dem Kufa-Umfeld, der lieber anonym bleiben möchte. Er habe sich jetzt einen Job gesucht, manche Kollegen hätten derzeit gar keine Einkünfte, klagt er. „Es gibt viele, die davon abhängig sind: DJs, Techniker, Barleute, die haben jetzt alle keine Einnahmen.“ Für die kurzfristige Entscheidung der Landesregierung hat er kein Verständnis: „Es liefen schon die Vorbereitungen für die Veranstaltungen, Flyer waren gedruckt, DJs gebucht und Hygienekonzepte geschrieben. Wir hätten Ausweise kontrollieren können, Fieber messen.“ Doch diese Überlegungen sind jetzt Makulatur.
Corona-Krise und die Folgen: Zukunft der Clubszene bleibt unsicher
Hossein Hosseini, Betreiber der „Schildkröte“, hatte 2020 bereits im Frühjahr so gut wie abgehakt. Wasser und Heizung im Gebäude habe er abgestellt, auch den Strom für manche Bereiche. Seine Mitarbeiter seien in Kurzarbeit. Gott sei Dank habe er ein paar andere Mieteinnahmen, sagte er damals und ist auch heute noch er sehr froh über seine weiteren Standbeine. Für ihn bleiben die Unsicherheit über die Zukunft und die Frage, was aus der hiesigen Clubszene wird. Deshalb unterzeichnete er den Brief.
Wie geht es weiter? Eine Antwort kann in der Szene niemand geben. Der Veranstalter aus der Kufa sorgt sich, dass, wenn Partys irgendwann wieder erlaubt sind, das Klientel fehlen könnte. Es sei gerade eine neue Generation Discogänger herangewachsen, die könnten sich nun während der Coronakrise nachhaltig andere Beschäftigungen suchen.
DJ Sky Tunes steckt seine unfreiwillige Freizeit in die Musik. „Ich versuche, Songs zu produzieren, die ich den Leuten um die Ohren haue, wenn es wieder losgeht.“ Wenn. Für 2021 ist er da pessimistisch. Vielleicht gehe draußen etwas. „Aber Indoor glaube ich vor 2022 nicht daran, auch wenn ich es mir wünsche.“ (mz)