Wirtschaft Wirtschaft: Die Vermessung der Welt

BEUNA/MZ - „Im Prinzip sägen wir uns ja selbst den Ast ab, auf dem wir sitzen, denn irgendwann ist die Welt komplett vermessen“, lächelt Hans-Dieter Förste. Vor 20 Jahren hat der Müchelner in Beuna sein Vermessungsbüro gegründet und seitdem hat sich die Arbeit erheblich verändert. Die Gelände- oder Grundstücksvermessung an sich nimmt heute nur einen sehr viel geringeren Teil der Arbeit ein. „Heutzutage wird mit Geoinformationssystemen gearbeitet. Das sind praktisch elektronische Karten, in die alle vorhandenen Informationen eingepflegt werden und dadurch immer gebündelt zur Verfügung stehen.“
Förste und seine 21 Mitarbeiter vermessen zum Beispiel die Industrieanlagen von Dow Chemical und betreuen die Kartenwerke und Geoinformationssysteme für alle zehn Dow-Standorte in Deutschland. Für Dow in Schkopau wurden dabei nicht nur alle Anlagen und Büroräume erfasst. „Wir haben auch ein digitales Grünflächenkataster erstellt. Dadurch könnte man sich zum Beispiel ans nächste Rasenmähen auf dem Gelände erinnern lassen.“
Für die Stadt Leuna wurde beispielsweise ein Programm zur automatischen Berechnung von Straßenausbaubeiträgen entwickelt. Man muss lediglich die Grundstücksdaten und Gesetzesgrundlagen einpflegen - also wieviel von den Anwohnern in einer bestimmten Straßen gefordert werden darf. „Und dann druckt ihnen das Programm automatisch die Serienbriefe an die Anwohner.“ In Leuna gebe es das schon lange, Merseburg sei noch nicht so weit.
Allerdings sei man in seinem Büro im Augenblick dabei, eine Stadtkarte für Merseburg zu erarbeiten. Dabei handelt es sich nicht um einen Stadtplan im herkömmlichen Sinne, sondern um eine hochkomplexe Zusammenfassung aller relevanten Daten fürs ganze Stadtgebiet. Es werden Straßen und Gebäude erfasst und auch das, was unter der Straßendecke ist, gehört dazu. Wo und in welcher Tiefe liegen Wasser-, Abwasser- oder Stromleitungen. „Das geht bis zum kleinsten Absperrschieber“, erklärt Förste, der öffentlich bestellter Vermessungsingenieur ist. Je weiter man sich also einmal in diese digitale Karte Merseburgs hineinzoomt, um so mehr kann man in Merseburgs Herz schauen.
Draußen im Gelände sind die Vermesser natürlich auch noch. Förste und seine Leute haben zum Beispiel an den Vermessungen für den sechsspurigen Ausbau der A 14 mitgearbeitet und sind dabei sogar noch auf Überraschendes gestoßen. „In Gröbers hatten wir im Erdreich überraschend die Gebeine eines Toten entdeckt. Allerdings stellte sich heraus, dass der Mensch nicht durch ein Verbrechen ums Leben gekommen war. Mehr wissen wir nicht.“
Für die Dinge, die überirdisch zu finden sind, benutzen die Beunaer Vermesser am liebsten ihren modernen Laserscanner. Der hat schon dem Merseburger Ständehaus Maß genommen und dem Müchelner Rathaus. „Wir haben zum Beispiel auch den neuen kleinen Konzertsaal in der Musikschule auf Burg Querfurt gescannt und festgestellt, dass es dort keinen rechten Winkel gibt“, schmunzelt der 58-jährige Chef. Mit dem Scanner habe man auch kontinuierlich die Böschungsabsenkung am Hafen von Braunsbedra beobachtet und die Daten dem Bergbausanierer LMBV zur Verfügung gestellt.