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Wie ein Detektiv auf Notensuche

Von Elke Jäger 07.09.2007, 15:11

Merseburg/MZ. - Wer in diesen Tagen abends am Merseburger Dom entlang geht, wundert sich vielleicht über die Musik, die durch die Mauern dringt. Kurz vor den Orgeltagen nutzt Domorganist Michael Schönheit jede freie Minute, um auf dem Instrument zu spielen. Beim Konzert muss jeder Griff, jeder kleine Fingerdruck perfekt sitzen. Auch Gastorganisten haben sich bereits angemeldet und wollen die große Ladegastorgel so gut wie möglich kennen lernen.

Neun Tage dreht sich ab 15. September alles um französische Musik aus acht Jahrhunderten. Ein Thema, bei dem Schönheit ins Schwärmen gerät. Die Schwierigkeit sei gewesen, "aus dieser Fülle großartiger Musik" solche Beispiele auszuwählen, die das Instrument Orgel einbetten in die Vielfalt der Werke von Chor- über Kammermusik bis zu großen Sinfonien.

Es wird ein Bogen geschlagen von Perotin, der im 12. / 13. Jahrhundert lebte, zu Olivier Messiaen (1908-1992). Eine besondere Rolle spielt aber die Orgelmusik des 19. und 20. Jahrhunderts mit den Komponisten César Franck, Charles-Marie Widor und Olivier Messiaen. Schönheit, der das Programm gemeinsam mit seinem früheren Schüler Denny Wilke erarbeitet hat, greift nach den Sternen. Eine Sensation für das Merseburg der Jetzt-Zeit: Zumindest drei Stücke des Abschlusskonzertes am 23. September werden europäische Erstaufführungen sein. Darunter von Franz Liszt "Der heilige Franziskus von Paula auf den Wogen schreitend" sowie Fantasie und Fuge über den Choral "Ad nos. . .", beides in einer Bearbeitung von Marcel Dupré. Zwei für die Ladegast-Orgel geschriebene Liszt-Werke, die jetzt in einer Bearbeitung zu hören sind, wurden im Merseburger Dom uraufgeführt: Das "Ad nos" 1855 zur Orgelweihe, Präludium und Fuge über B-A-C-H 1856.

Dieses hochkarätige Sonntagabend-Konzert unter Leitung Schönheits mit Olivier Latry an der Orgel und der Anhaltischen Philharmonie Dessau wird übrigens live vom MDR übertragen und kann im ganzen Lande mitgehört werden - auch dies ein Novum für die Merseburger Orgeltage. Wenn Schönheit begeistert erzählt, mit welch beinahe kriminalistischem Spürsinn Denny Wilke und er die Literatur für das Abschlusskonzert aufgestöbert haben, blitzt die Leidenschaft offen aus den Augen. Der Mann steht mit vollem Einsatz hinter den Merseburger Orgeltagen.

Das zeigt er selbst vom ersten Takt an. Michael Schönheit wird auch das Eröffnungskonzert leiten, in dem Werke von Johann Sebastian Bach und Marcel Dupré erklingen. Die Auswahl ist kein Zufall: Dupré (1886-1971) hat 1920 in Paris das gesamte Orgelwerk von Bach auswendig vorgetragen. Bachkantaten, die von Advent bis zu Himmelfahrt durchs Kirchenjahr führen, erklingen im Wechsel mit einer Symphonie-Passion von Dupré.

Musikfreunde, die nicht sowieso einige Urlaubstage eingeplant haben für die Zeit der Orgeltage und wenigstens zwei Konzerte erleben wollen, stehen vor einer schwierigen Qual der Wahl: Soll es das "Große Abendkonzert" am 16. September mit Messiaen sein oder lieber festliche Orchester- und Vokalmusik des französischen Barock am Dienstag? Zu den Favoriten zählt aber auch "Die große Nacht französischer Musik" am 21. September. Chormusik wiederum steht am zweiten Sonnabend auf dem Programm: einmal mit der Domkantorei Merseburg, danach mit dem MDR Rundfunkchor Leipzig. Nicht zu vergessen die Mittags- und Nachmittagskonzerte. . .