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Von den Meistern lernen Von den Meistern lernen: Günthersdorfer sind Meister im Männerballett

Von Tilo Krippendorf 13.04.2015, 06:48
Die Pyramide gehört mit zu den anspruchsvollsten Elementen beim Männerballett.
Die Pyramide gehört mit zu den anspruchsvollsten Elementen beim Männerballett. Peter Wölk Lizenz

Günthersdorf - Meinen rechten Fuß setze ich auf Holgers rechte Hüfte, mit dem linken steige ich auf seine linke Schulter. Dann bin ich oben, wacklig zwar, aber ich stehe. Zu Beginn schummele ich noch etwas und halte mich an der Decke des Saals fest. „Arschbacken zusammenkneifen!“, höre ich von Marion Galander, der Trainerin des Günthersdorfer Männerballetts.

Die Körperspannung ist wichtig, Holger steht unverrückbar unter mir wie ein Hinkelstein. Ich zwinge mich, auf seinen Schultern gerade zu stehen, und es funktioniert tatsächlich. Von der Trainingsrunde mit den Landesmeistern von Sachsen-Anhalt bleiben mir vor allem zwei Dinge in Erinnerung, die beim Männerballett wirklich wichtig sind: Athletik und Humor.

„Das Klischee ist ja, dass Männer auf der Bühne mit rosa Tutu umherspringen. Damit hat das hier aber gar nichts zu tun“, stellt Managerin Katja Rost klar. Den Günthersdorfern geht es um gute Unterhaltung und eine abwechslungsreiche Show für ihr Publikum. Denn die Truppe ist heiß begehrt. In der Faschingszeit kann es schon mal vorkommen, dass sie an einem Abend auf vier Veranstaltungen in verschiedenen Orten auftritt.

Das Niveau steigt

Der Zuspruch in den Festsälen ist ihr gewiss. „Wir wollen mit unseren Tänzen auch immer eine Geschichte erzählen. Außerdem sind auch immer alle in Bewegung. Das ist bei anderen Männerballettgruppen nicht so“, erklärt Marion Galander. Sie denkt sich die jährlich wechselnden Choreografien mit Hebungen, Treppen, Würfen, Pyramiden und anderen Figuren in groben Zügen alleine aus. Im Spätsommer fährt die Truppe dann ins Trainingslager. Dort feilt sie an den Feinheiten und probt die Bewegungsabläufe.

Ursprünglich waren Männerballette Tänze von Männern in Frauenkleidern während der Karnevalszeit. Seit wann es sie genau gibt, ist allerdings nicht klar. Es gibt Berichte aus dem 17. Jahrhundert, in denen auf Männerballette hingewiesen wird. Später folgten dann in vielen Regionen Auftritte während der traditionellen Prunksitzungen der Karnevalsvereine.

In den vergangenen Jahren haben sich die klassischen Männerballette aber immer mehr zu Schautänzen entwickelt, die sich mit den Gardetänzen messen lassen können. In Deutschland gibt es inzwischen mehrere Landesausscheide und seit zwölf Jahren auch Deutsche Meisterschaften. Die Ostdeutsche Meisterschaft findet am Abend des 16. Mai in Senftenberg statt. (tik)

Weitere Informationen zu den verschiedenen Meisterschaften im Internet unter www.b-v-d-m.de

Die Tänze des GCC Blau-Weiß stehen jedes Jahr unter einem anderen Motto. Mal war es die Biene Maja, mal die Musketiere. In diesem Jahr holten die Männer als Astronauten und Außerirdische mit dem Titel „Völlig losgelöst“ die Landesmeisterschaft nach Hause. Es war bereits der sechste Titel in neun Jahren. „Man merkt, dass das Niveau immer mehr zunimmt“, so Managerin Rost.

Deshalb war der Stendaler Wettbewerb Ende März auch eine Zitterpartie. Trainerin Marion Galander konnte wegen einer Familienfeier nicht dabei sein. „Ich bin da mit dem Telefon heimlich auf die Toilette gegangen und musste immer wieder nachfragen, wie es läuft“, sagt sie schmunzelnd. Männerballett ist auch ein Fieber, das einen packt und kaum wieder loslässt.

Torsten Kotulla ist erst seit kurzem dabei. „Ich war immer bei den Veranstaltungen und habe gesehen, wie viel Mühe die Jungs da reinstecken. Da habe ich einfach gefragt, ob ich mitmachen kann“, erzählt er. Nun ist er voll dabei und weil er zu den kleineren und leichteren Männern gehört, steht er plötzlich neben mir oben auf der Pyramide. Ich schummele wieder. Aber wir sollen salutieren. Die nächste Zitterpartie beginnt. Die Jungs helfen mir wieder runter. Zum Männerballett gehört auch Vertrauen. Man muss sich auf das Team verlassen können.

Ostdeutsche Meisterschaft im Mai

Das merke ich spätestens, als ich von Holgers Schultern in die ausgestreckten Arme vom Rest der Balletttruppe springen soll. Ich überwinde Angst und Misstrauen, kneife die Arschbacken zusammen und falle mit ausgestreckten Armen nach unten. Alles gut gegangen, danke.

Einmal pro Woche wird trainiert, das ganze Jahr über. Vor Wettkämpfen auch zwei Mal. Eigentlich könnten die Günthersdorfer auch zur Deutschen Meisterschaft nach Bonn fahren, qualifiziert sind sie jedenfalls. „Der Aufwand wäre für uns aber viel zu hoch. Es ist schwierig, alle elf Jungs an einem Wochenende zusammen zu bekommen“, so Rost.

Doch Anfang Mai ist die erste Ostdeutsche Meisterschaft - da wollen die Günthersdorfer Balletttänzer unbedingt dabei sein. Die nächsten Trainingseinheiten werden hart, zum Glück ohne mich - oder leider? Mein Respekt vor Männerballett ist jedenfalls erheblich gestiegen.

Weitere Informationen und Bilder vom Günthersdorfer Männerballett unter www.gcc-blauweiss.de

Trainerin Marion Galander (oberes Bild, Mitte) schaut, dass die Beinhaltungen stimmen.
Trainerin Marion Galander (oberes Bild, Mitte) schaut, dass die Beinhaltungen stimmen.
Peter Wölk Lizenz
Beim Stand auf den Schultern von Holger Krupa wird es Managerin Katja Rost (linkes Bild, rechts) etwas Bange.
Beim Stand auf den Schultern von Holger Krupa wird es Managerin Katja Rost (linkes Bild, rechts) etwas Bange.
Peter Wölk Lizenz
Viele Figuren gehören zum klassischen Repertoire des Günthersdorfer Männerballetts.
Viele Figuren gehören zum klassischen Repertoire des Günthersdorfer Männerballetts.
Peter Wölk Lizenz