Theater in Bad Lauchstädt Theater in Bad Lauchstädt: Wie zu Goethes Zeiten

Bad Lauchstädt - Ein wenig ähnelt das Äußere des Goethe-Theaters in Bad Lauchstädt momentan vermutlich jenem Zustand zum Eröffnungstermin am 26. Juni 1802. Statt der in den letzten Jahren gewohnten gelben Außenhülle, zeigt der Theaterbau sein auch damals sichtbares Fachwerk. Mit den Balken, die im März des Erbauungsjahres noch eingefroren in Thüringen lagen, bevor sie Flößer die Saale abwärts bis Schkopau brachten. Unter Zeitdruck wurde das Holz auf dem Bruchsteinsockel zusammengefügt und die Gefache mit grauen, getrockneten Lehmsteinen ausgemauert. Verputzt wurde das Gebäude erst ein Jahr nach der Eröffnung.
Johann Wolfgang von Goethe hatte für die Errichtung des Theaters genaue Vorgaben gemacht: „Eine mäßige Vorhalle für Kasse und Treppen sollte angelegt werden, dahinter der höhere Raum für die Zuschauer emporsteigen und ganz dahinter der höchste fürs Theater.“ Bis heute entsprechen der Saal mit den ungepolsterten Bänken, die Bühne und darunter die Technik der ursprünglichen Bauausführung. Und ebenso die nach Goethes Farbenlehre erfolgte Bemalung - das Granitgrau der Wände, die gelben Säulen, marmorierte Simse und die in Weiß, Grau, Blau und pompejisch Rot gehaltenen Ornamente auf der den Zuschauersaal überwölbenden Leinwanddecke.
Gerade mal zehn Wochen war Zeit, um das Theater samt Innenausstattung bis zur Einweihung mit dem eigens dafür von Goethe geschriebenen Prolog „Was wir bringen“ und Mozarts Oper „Titus“ fertigzustellen. Wesentlich mehr Zeit erfordert die derzeitige Sanierung, die den Blick auf historische Balken und Ziegel ermöglicht. In sie ist Feuchtigkeit eingedrungen, nun werden Schäden durch Hausschwamm und Pilzbefall beseitigt.
Auf Schauspiel- und Musikgenuss im einzigen original erhaltenen Theaterbau, in dem Goethe während seiner 26 Jahre dauernden Tätigkeit als Oberdirektor der Weimarer Hofschauspieler-Gesellschaft gewirkt hat, muss dennoch nicht verzichtet werden. „Trotz Sanierung bieten wir ein abwechslungsreiches Programm“, betont René Schmidt, Geschäftsführer der „Historische Kuranlagen und Goethe-Theater Bad Lauchstädt GmbH“. Für ihn sei die Koordinierung von Spielbetrieb und Restaurierung eine reizvolle Herausforderung. Sie geht einher mit dem touristischen Alltag in der historischen Kur- und Parkanlage mit dem erhaltenen Badeensemble.
Tausende Zuschauer aus ganz Deutschland
Lauchstädt war mit der vom halleschen Mediziner Friedrich Hoffmann entdeckten Heilquelle seit 1710 ein viel besuchtes Luxus- und Modebad. Vergnügen fanden die Gäste beim Flanieren an den Kolonaden, bei Teichpartien, Konzerten und Theaterspiel. 1761 gastierte eine Leipziger Marionettenbühne, ihr folgte Francisco Perrin, der sein Komödienspiel noch in einer Scheune beim Schloss aufführte. Das erste Theater ließ Friedrich Koberwein 1776 auf dem Thonberge errichten. Doch das überdauerte Zeit und Wetter ebenso wenig wie jene 1785 von Joseph Bellomo an gleicher Stelle errichtete „Komödienbude“. „Quasi-Stall“ nannte ein Hofkammerrat den Bretterbau, in dem am 13. Juni 1791 erstmals Goethes Weimarer Hoftheater auftrat. Hallesche Studenten, die zu allen Vorstellungen strömten, verspotteten es als „Schafhütte“.
Auch Goethe empfand „großes Mißbehagen, und es wurde der Beschluß gefasst, ein, wenn auch noch so kleines Theater, auf eigene Kosten zu bauen“. Doch auch die Mühlen höfischer Bürokratie mahlten langsam. Fünf Jahre vergingen seit der beim sächsischen Kurfürst erwirkten Zustimmung bis zur Eröffnung des „schicklicheren Schauspielhauses“.
In mehr als 200 Jahren hat der Musentempel mit seinen 465 Plätzen nichts an Ausstrahlung und Faszination eingebüßt. Tausende Besucher kommen alljährlich aus nah und fern, um trotz historisch bedingter Unbequemlichkeit, Goethesche Schauspieltradition und großes Musiktheater mit Kompositionen von Händel, Mozart, Gluck, Flotow oder Carl Maria von Weber zu erleben. „Wir haben Zuschauer“, so René Schmidt, „die seit Jahren Stammgäste sind und immer den gleichen Platz wünschen.“
Karten können über das Internet bestellt werden, doch etwa 90 Prozent werden aufgrund enger Zuschauerkontakte direkt verschickt. Wer mag, kann länger bleiben und über das Besucherzentrum Zimmer buchen, die im historischen Gasthaus „Lauchstedter Gaststuben“ eingerichtet wurden, nur wenige Schritte entfernt vom Theater.
Dessen Sommerspielplan listet 52 Veranstaltungen auf. Sie entsprechen der Tradition des Hauses und den Wünschen des Publikums. Ein Höhepunkt ist das „Festspiel der deutschen Sprache“, das sich seit 2007 an einem einzigartigen Ort der Schönheit und dem Erhalt unserer Muttersprache als schützenswerte Kulturleistung widmet. Neben dem Auftaktkonzert des MDR-Sinfonieorchesters mit Ragna Schirmer und Benjamin Moser wird mit zwei Aufführungen von „Die Räuber“ an Friedrich Schiller erinnert. Der erblickte 1803 das Goethe-Theater übrigens so, wie es sich derzeit äußerlich präsentiert – mit sichtbarem Fachwerk, grauen Lehmsteinen und unverputzt. (mz)
