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Sternenkinder in Merseburg Sternenkinder in Merseburg: Still geboren, still begraben

Von Melain Müller 10.06.2015, 13:40
Pfarrerin Angelika Rudnik hält an dieser Stelle halbjährlich die Trauerrede zur Bestattung.
Pfarrerin Angelika Rudnik hält an dieser Stelle halbjährlich die Trauerrede zur Bestattung. Peter Wölk Lizenz

Merseburg - Geschützt von Mauern und umrandet von Frauenmantel wachsen kleine Rosenstöcke auf dem Friedhof in Merseburg. Sie reihen sich um eine Stele, die je nach Betrachtung Verschiedenes darstellen kann.

Die Pflege der Grabstätte ist mit Kosten verbunden. Wer zur Pflege beitragen möchte, kann dafür spenden. Empfänger: Kreiskirchenamt Merseburg; Bank für Kirche und Diakonie Dortmund; IBAN: DE10 3506 0190 1550 1050 27; Verwendungszweck: RT200, Grabpflege. Wer Hilfe sucht, kann sich auch an die Klinikseelsorge unter Tel.: 03461/271322 wenden.

Eine Variante ist die, der aufgebrochenen Gebärmutter, eine andere, dass ein Paar auf etwas Zerbrochenes blickt. Am Fuße der Stele hinterlassen Angehörige, was sie ihren Kindern mit auf den letzten Weg geben wollen. Kleine Engelsfiguren und Plüschteddys. In diesem Bereich des Merseburger Stadtfriedhofs unweit der Kapelle liegen Kinder begraben, die einen Todes- aber keinen Geburtstag haben.

Bestattung ist für Familie kostenfrei

Erst ab einer Größe von 500 Gramm sind die stillgeborenen Kinder bestattungspflichtig, meist ist das nach der 20. Woche der Fall, die Kleineren aber nicht. Dennoch finden auch sie einen Platz auf dem Friedhof. Kostenfrei für die Familien übernehmen diese freiwillige Aufgabe in Merseburg seit vier Jahren die Klinikseelsorge, der kirchliche Stadtfriedhof und das Bestattungsunternehmen Avalon. „Einmal im halben Jahr bestatten wir die Kindchen“, sagt Angelika Rudnik, die zu Zahlen allerdings nichts sagt. Sie spricht häufig von Kindchen oder Stillgeborenen. Als Pfarrerin des evangelischen Kirchenkreises hält sie zudem eine würdevolle Rede und die Sternenkinder werden gemeinsam in einem kleinen Sarg vom Bestattungsinstitut beerdigt. An der Bestattung können die Eltern und Familien teilnehmen, aber meist sind es nicht viele, die an diesem Tag auf den Friedhof kommen. „Manche machen das mit sich selbst aus, andere sind noch nicht soweit und vielleicht wollen sie auch in aller Ruhe trauern.“

Verbindung zu Verstorbenen

Genau dafür soll es eben diesen Ort geben. „Oft ist in der Gesellschaft nach einer Weile kein Platz mehr für Trauer, aber auf dem Friedhof darf man seinen Gedanken und Gefühlen freien Lauf lassen.“ Auch nach Jahren könne man dorthin zurückkehren. „Es hilft, den Verlust besser zu verarbeiten“, so die Pfarrerin. Denn es sei ein Anker, bei dem man die Verbindung zum Verstorbenen wiederherstellen kann. Allerdings ist diese Stelle nicht nur für die Betroffenen, deren Stillgeborene dort begraben liegen. Auch jene, deren Kinder nicht dort sind, können an diesem besonderen Ort Trost finden, sagt die Seelsorgerin.

Seit dem vergangenen Jahr gibt es auch die Möglichkeit, Fehlgeburten beim Standesamt eintragen zu lassen und ihnen dort Namen zu geben. Die Eltern erhalten eine Urkunde, die sie mit nach Hause nehmen können, erklärt Rudnik. „Damit werden die Kindchen als Menschen wahrgenommen“, findet sie. Für viele Betroffene ein wichtiger Schritt. Zudem helfe es einigen Paaren und Familien, den stillgeborenen Kindern Namen zu geben.

Unterstützung in der Trauerphase

Es ist eine schwierige Situation. Auch wurde über viele Jahre der Schmerz und die Trauer, die mit einem solchen Erlebnis einhergehen, in der Gesellschaft weggeredet. „Nicht immer wurden die Kleinen als Menschen betrachtet“, weiß Rudnik. Doch für sie ist es ein Verlust wie jeder andere und darf betrauert werden. Das müssten die Familien jedoch nicht allein tun. „Sie können sich gern auch an mich wenden“, sagt sie. In Einzelgesprächen können Ängste und Sorgen thematisiert werden. (mz)