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Ständehaus in Merseburg Ständehaus in Merseburg: Ein historischer Streifzug durch Sachsen

Von nikta vahid 05.11.2015, 12:27
Das Merseburger Ständehaus wird nachts besonders schön angestrahlt.
Das Merseburger Ständehaus wird nachts besonders schön angestrahlt. Peter Wölk Lizenz

Merseburg - Jeder Merseburger kennt es: das Ständehaus, heutiges Kongress- und Kulturzentrum. Aber die historische Bedeutung des prachtvollen Gebäudes mag vielleicht nicht jedem bewusst sein. Von 5. bis 7. November wird es Austragungsort einer Tagungsreihe sein, die dort anlässlich des 200. Jubiläums der Neuordnung Mitteldeutschlands abgehalten wird.

Preußische Provinz Sachsen

Der Blick geht nun zurück in die Zeit des Wiener Kongresses: Nach der Niederlage Napoleon Bonapartes in den Koalitionskriegen zwischen Frankreich und seinen europäischen Machtrivalen hat der Wiener Kongress (1814/1815) Europa neu geordnet. In diesem Zuge entstand auch die Preußische Provinz Sachsen. „Nach seiner Niederlage bei der Völkerschlacht wollte aber der preußische König sich seinen Traum erfüllen und möglichst das ganze Sachsen seinem Königreich einverleiben. Er musste sich auf dem Wiener Kongress 1815 allerdings mit dem sächsischen Westteil begnügen, die Menschen aus Merseburg und Umgebung fanden sich als Musspreußen wieder“, erklärt Alfred Georg Frei. Er ist Professor für Kulturgeschichte an der Hochschule Merseburg.

Ständehaus statt Brauerei

Stadtführerin Liselotte Witte ergänzt: „Der sächsische König musste damals 58 Prozent seines Besitzes an Preußen abtreten.“ Darunter fielen neben Merseburg etwa auch Naumburg und Wittenberg. Die preußische Provinz Sachsen war geboren. Friedrich Wilhelm III. von Preußen legte fest, dass das Parlament fortan in Merseburg tagen sollte – „um die Merseburger etwas zu entschädigen, hat die preußische Regierung die Ständeversammlung hierher gelegt“, sagt Professor Frei. Merseburg als Provinzhauptstadt sei aber immer wieder diskutiert worden. „Schon damals“, sagt Stadtführerin Liselotte Witte. Es sei immer schwer gewesen, das Parlament in Merseburg zu halten und gegen größere Städte wie Halle und Magdeburg anzuhalten. Die Frage der Verlegung des Provinziallandtags und des Provinzialverbandes entwickelte sich in diesen Jahren zum Dauerstreitthema, vor allem zwischen Halle und Merseburg. Doch die Stadt Merseburg habe damals mit einem schlauen Schachzug gekontert, sagt Witte: „Dort, wo heute das Ständehaus steht, ließ die Stadt damals eine alte Brauerei abreißen, hat die folglich entstandene Freifläche dem Parlament geschenkt und gesagt: Hier bitte, baut euch ein Haus.“ Dieses Angebot habe man damals nur schwer ablehnen können. So wurde von 1892 bis 1895 das Ständehaus errichtet. Zuvor hatten die Stände im Schlossgartensalon nebenan getagt, erstmals am 2. Oktober 1825, „der wurde jedoch irgendwann zu klein“, so Witte.

Lesen Sie auf Seite 2 mehr zur Historie des Ständehauses.

Historischer Architekturstil

Der preußische König beauftragte daraufhin seinen Lieblingsarchitekten Franz Heinrich Schwechten mit dem Bau eines neuen Regierungssitzes, aus dessen Feder auch die Berliner Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche stammt, weiß Professor Frei. Dieser hielt das Ständehaus im Stil des Historismus, was bedeutet: Es kamen Stilelemente aus allen alten Stilen wie Gotik, Renaissance und Barock zum Einsatz. „Elemente, die an frühere Zeiten mutmaßlicher deutscher Größe erinnern“, ergänzt Frei.

Der Name Ständehaus kommt nicht von irgendwoher. Stände sind soziale Gruppierungen, die auf Abstammung, Beruf, Besitz oder Bildung basieren. Der Ständeversammlung gehörten vier Gruppierungen an: „die Prälaten, Herren und Grafen als erster Stand, die Ritter als zweiter Stand, die Städte als dritter Stand und die Landgemeinden als vierter Stand“, erklärt Alfred Georg Frei. Die „keineswegs gewählten“ Ständevertreter durften anfänglich nur königliche Vorlagen beraten und Petitionen einreichen.

Eberhard Hübener erster Ministerpräsident Sachsen-Anhalts

Bis 1933 tagte die Ständeversammlung im Plenarsaal, dem Erhard-Hübener-Saal. „Mit seinen Historienbildern ist er besonders beeindruckend“, sagt Stadtführerin Liselotte Witte. Der prunkvolle, holzvertäfelte Raum wurde mit Bildern des Malers Hugo Vogel und einem Deckengemälde ausgestaltet. Benannt wurde der Saal nach dem Demokraten Eberhard Hübener, der sich während seiner Amtszeit von 1924 bis 1933 für wirtschaftspolitische Belange der Region eingesetzt hatte. 1946 wurde Hübener der erste Ministerpräsident des neuen Landes Sachsen-Anhalt – als einziger nicht kommunistischer Ministerpräsident in der sowjetischen Besatzungszone. (mz)