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Seit 1985 suchte sie ihr Mädchen Seit 1985 suchte sie ihr Mädchen: Wo ihre Tochter beerdigt ist, weiß sie erst seit 2017

Von Undine Freyberg 25.11.2019, 07:00
Immer wenn Peggy Ullrich den Platz besucht, an dem ihre Tochter vor 34 Jahren beerdigt worden sein soll, legt sie einen Gruß nieder.
Immer wenn Peggy Ullrich den Platz besucht, an dem ihre Tochter vor 34 Jahren beerdigt worden sein soll, legt sie einen Gruß nieder. Undine Freyberg

Merseburg/Halle (Saale) - Die MZ-Artikel über Frauen, die zu DDR-Zeiten in Merseburg Kinder zur Welt gebracht haben, die totgeboren wurden oder kurz nach der Geburt gestorben sind, hat dazu geführt, dass sich noch mehr Frauen gemeldet haben, die lange nichts über den Verbleib ihrer toten Kinder wussten oder auch nach angeblich zu DDR-Zeiten verstorbenen Geschwistern suchen.

Eine der Mütter ist Peggy Ullrich, deren Tochter Dana am 23. August 1985 mit 2.500 Gramm in Merseburg zur Welt gekommen war. Sie selbst war damals erst 16 Jahre alt. „Die Schwestern erzählten mir, wie hübsch meine Tochter ist - mit langen dunklen Haaren“, erinnert sich die 50-Jährige an die damalige Zeit. Sie freute sich auf die Zeit mit ihrem Baby, nannte es ihren kleinen Schmetterling. Doch dann der Schock: Plötzlich hieß es, ihr Kind habe einen schweren Herzfehler, erzählte sie der MZ.

„Mein Vater erzählte mir, dass es meiner Dana gut gehe“

Die damalige Stationsärztin sagte ihr, dass ihre Tochter jetzt für eine OP nach Halle verlegt werden sollte. Als sie draußen auf dem Flur einen Wagen mit einem kleinen Baby vorbeifahren sah, habe sie aufspringen wollen, sei aber von der Ärztin unsanft zurückgestoßen worden.

Im Krankenhaus in Halle habe sie ihre Kleine zunächst nicht besuchen können. Nur ihre Eltern durften hin und das Mädchen sehen. „Mein Vater erzählte mir, dass es meiner Dana gut gehe und sie ganz munter ist. Nur meine Mutter hat irgendwie gar nichts gesagt.“

„Ich war wie vor den Kopf geschlagen.“

Am 26. August 1985 beschließt Peggy Ullrich, dass sie unbedingt ihre Tochter sehen und nach Halle fahren will. Deshalb wollte sie im Krankenhaus anrufen. „Mein Vater sagte allerdings, dass wir zuerst Mittag essen. Daran erinnere ich mich noch ganz genau“, erzählt sie. Sie habe also gegen 13.30 Uhr in Halle angerufen. „Und als ich fragte, wie es meiner Tochter Dana geht, bekam ich zur Antwort. ,Na, die ist doch gestorben.’ Ich war wie vor den Kopf geschlagen.“

Doch was sie stutzig machte: In den Unterlagen, die sie nach mühsamen Recherchen in jüngerer Vergangenheit bekommen hat, wird der Todeszeitpunkt ihrer Tochter für die Abendstunden desselben Tages angegeben. Ein Versehen?

„Ich bin jahrelang über die Friedhöfe in Halle und Merseburg gelaufen“

Was nach dem Tod mit ihrer Tochter passiert ist und wo sie beerdigt wurde - Peggy Ullrich hatte lange Zeit keine Ahnung. „Ich bin jahrelang über die Friedhöfe in Halle und Merseburg gelaufen und habe mein Kind gesucht. Ohne Erfolg. All die Jahre war dieser Verlust wie ein Loch in meinem Leben“, erzählt sie der MZ. Erst vor gut zwei Jahren hat die Frau, die heute in Hessen lebt, erfahren, dass ihre Tochter offenbar in Merseburg beigesetzt wurde.

Allerdings nicht in einem eigenen Grab, sondern als sogenannte Beilegung im Sarg von fremden Leuten, wie es auch im Fall der Kinder von Heike Linke und Ramona Berger - über die die MZ bereits berichtet hat - der Fall war. In allen Fällen haben die Mütter ihre toten Kinder nicht sehen dürfen.

Warum die Mütter ihre Kinder nicht selbst beerdigen durften

Auf MZ-Anfrage hatte das Klinikum in Merseburg mitgeteilt, dass das sowohl in der DDR als auch in der BRD so üblich gewesen sei. Warum die Mütter ihre Kinder nicht selbst beerdigen durften, ist allerdings unklar. In allen Fällen hieß es im Krankenhaus, dass man sich um alles kümmern würde und die Frauen ja noch mehr Kinder bekommen könnten.

„Bisher haben sich fünf Frauen, die auf der Suche nach ihren toten Kindern sind, an uns gewandt“, so Wolfgang Däne, der Sachgebietsleiter Friedhofswesen bei der Stadt Merseburg. Man habe ihnen sagen können, wo ihre Kinder damals beigesetzt worden sind. Das hätten die Recherchen in den Friedhofsbüchern ergeben, in die auch die Beilegungen eingetragen wurden. Die rechtlichen Grundlagen für diese Art Bestattung konnte MZ noch nicht herausfinden. (mz)