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Saalekreis Saalekreis: Ursache für Explosion in Total-Raffinerie geklärt

30.03.2010, 10:03

LEUNA/MZ/ZNY/GLO. - Hans-Joachim Thieme ist auf die Total-Raffinerie in Leuna nicht gut zu sprechen. Sein Haus ist seit der Havarie in der Pox-Methanol-Anlage Mitte Februar von Rissen durchzogen, sagt er. "Als gebürtiger Spergauer habe ich schon immer mit der Chemie gelebt, sonst hätte ich mir ja auch nicht hier, Luftlinie 200 Meter von der Anlage entfernt, vor 27 Jahren das Haus gebaut. Jetzt habe ich Angst, dass alles über mir zusammenbricht", schildert der 63-jährige Klempnermeister emotionsgeladen. Thieme ist einer von bis jetzt drei Spergauern, die Schäden an ihren Wohnhäusern nach dem Chemieunfall zu verzeichnen haben. Was folgt nach dem entsetzlichen Knall in jener Nacht wollen sie wissen.Etwa hundert Spergauer suchten mit ihnen während einer Einwohnerversammlung, zu der der Ortschaftsrat eingeladen hatte, eine Antwort. Reinhard Kroll, Geschäftsführer der Raffinerie, redete nicht um den heißen Brei. Vor die fachlichen Erläuterungen setzte er die Entschuldigung des Unternehmens, dass die Spergauer in jener Nacht des 16. Februar exakt 1.31 Uhr Ängste durchleben mussten. Gefahr für Leib und Leben habe für sie als auch für jene Mitarbeiter, die sich zur Nachtschicht in der Anlage befunden hatten, nicht bestanden. Etwa 50 Meter entfernt vom Havarie-Ort sei einzig in einem Container eine Scheibe geplatzt. Intensiv habe sich eine Untersuchungskommission mit dem Hergang des Ereignisses befasst. Auch Wissenschaftler seien auf Ursachenforschung gegangen.Klar ist heute, dass es zu einer bis her nie dagewesenen Reaktion in der Konvertierungsanlage der Anlage gekommen ist. Extrem hohe Temperaturen von rund 700 Grad, normal wären etwa 200 Grad Celsius, haben ein Rohr mit einer Wanddicke von 18 Millimetern zum Platzen gebracht. Ein Knall wie von einem Überschallflugzeug und das vollständige Verbrennen des Gases waren die Folge. Die Druckwelle breitete sich rasend schnell aus. Die Anlage sei sofort heruntergefahren und außer Betrieb genommen worden. Bereits eine Stunde nach der Havarie sei der Ortschaftsratsvorsitzende Thomas Scholz telefonisch von dem Ereignis informiert worden. "Experten sprechen von einer exothermischen chemischen Reaktion, die es in vergleichbaren Anlagen bis jetzt nicht gab", schilderte Kroll.Zwei Unternehmen am Standort der InfraLeuna müssen sich derzeit das für ihre Produktion notwendige Methanol von anderen Chemieunternehmen anliefern lassen. Gegenwärtig laufen die Instandsetzungsarbeiten auf Hochtouren. Das Anfahrsystem sei verändert worden, damit eine Wiederholung einer solchen Explosion verhindern soll.Gut zu wissen, knurrte Hans-Joachim Thieme und so mancher in der Runde zappelte unruhig auf seinem Stuhl. Da müsse doch für die Spergauer mehr drin sein. Einer sprach sogar laut von einer finanziellen Entschädigung. Ortschaftsratsvorsitzender Thomas Scholz jedoch will jetzt nur noch eins: einen Wall um Spergau. "Wir können nicht mehr sagen, hier passiert doch nichts", begründete er das Ansinnen, das so neu nicht ist. Schon lange ist der Schutzwall im Gespräch. Ursächlich sei er einmal als Lärmschutz gedacht gewesen. Von Steuereinnahmen sollte er bezahlt werden. Nun, so machte das jüngste Ereignis deutlich, könne eine Begrenzung zur Raffinerie über den Grünstreifen hinaus, möglicherweise auch vor einem Gasaustritt schützen."Die Einrichtungen in der Raffinerie sind so ausgelegt, dass sie eine ausreichende Sicherheit den Spergauern bieten", entgegnete Kroll und ließ sich auf die Wall-Diskussion beziehungsweise Entschädigung nicht ein. Im Gegenteil: "Bebauungspläne sind Sachen der Kommune", spielte er den Ball zurück. Leunas Bürgermeisterin Dietlind Hagenau (parteilos) versprach, dass sich dieses Themas gemeinsam mit Experten angenommen werde. Schnelle Hilfe soll jenen zuteil kommen, die Bauschäden zu verzeichnen haben. Ein durch die Total bestellter Gutachter nahm zwischenzeitlich die Gebäude in Augenschein. Hans-Joachim Thieme vertraut darauf.