Saalekreis Saalekreis: Schäferstunden auf der Wiese
LEUNA/MZ. - Was ist ein Schäferstündchen? "Zeit, die man mit einer schönen Frau im Grünen verbringt. . ." Christian Winz sagt's, schiebt sich den Hut mit der breiten Krempe etwas weiter über die Stirn und grinst. Winz muss es wissen: Der Mann aus Halle-Seeben ist Schäfer, sogar Meister seines Faches und einer der besten im Land Sachsen-Anhalt.
Christian Winz, 31, gehörte am Sonnabend zu jenen sieben Schäfern, die beim Landesleistungshüten auf den Saalewiesen am Rande des Leunaer Ortsteils Ockendorf teilnahmen, traditionell in Tracht, mit Stock und Hut. In den Straßen des Ortes fand übers Wochenende die 1111-Jahr-Feier statt. Und der Landesschafzuchtverband hatte die Austragung der Meisterschaft an die in Leuna ansässige Schäferei Bust vergeben. Kein Wunder also, dass sich rund 200 Hüter aus Sachsen-Anhalt, Thüringen, Sachsen und Brandenburg unters Volk gemischt hatten.
Die Festbesucher durften so einige Schäferstunden erleben. Etwa 60 Minuten waren die Wettbewerbsteilnehmer jeweils mit der Herde mit 450 Wolltieren auf der Wiese unterwegs. Sie zeigten sozusagen einen Hütetag im Schnelldurchlauf. Die Tiere aus dem Stall holen, sie über enge Wege treiben, um Ecken führen, über eine Brücke, die Schafe auf großer Fläche im Griff behalten und wieder einpferchen. Diese und andere Elemente galt es zu meistern. Schwerstarbeit für die Hirten und ihre Altdeutschen Hütehunde. Für die Schäfer, weil sie ständig aufmerksam sein und den Hunden mit kräftiger Stimme unaufhörlich die Befehle geben mussten. Schwerstarbeit für die Hunde, weil sie im nassen Gras unablässig in Bewegung bleiben mussten, immer auf der Hut, jedes einzelne Tier dort zu halten, wo es der Herr haben wollte. All das unter den strengen Augen der Wertungsrichter. Denen entging kein Fehler. "Noch war kein Landesmeister dabei", konstatierte vor der Mittagspause Chefkampfrichter Reimund Nagel, Schäfer seit 48 Jahren. Zu viel Unruhe sei gewesen, die Hunde hätten nicht wie erwartet auf jedes Kommandos ihrer Herren gehört. Ein wenig gab Nagel auch dem Wetter Schuld. "Es war zu nass auf der Wiese", sagte er. Diese Feuchtigkeit seien die Tiere nicht gewohnt. Schließlich würden sie im Normalfall kurz nach zehn Uhr ausgetrieben, wenn Sonne und Wind längst den Morgentau von den Wiesen geleckt haben. Zu dieser Zeit mussten die Tiere Samstag längst in Aktion sein. Kein Wunder, dass die Schafe "zickten", als sie ihren Pferch verlassen sollten. Und Winz stellte fest: "Meine Hunde dachten, es sei Badetag."
Gerda Walther aus Merseburg beobachtete das Treiben aus der Ferne. Mit einer Freundin war sie nach Leuna gewandert, um sich das Leistungshüten anzuschauen. Begeistert waren die Frauen von der Arbeit der Hunde. Und von der Vielzahl der Hüter, die sich die Wettkämpfe anschauten. "Ich bin 84 Jahre, aber so viele Schäfer auf einmal habe ich noch nie gesehen", stellte Gerda Walther fest. Für die Rentnerin auch so eine Art "Schäferstündchen". Auf die Probleme des Berufsstandes machte Hans-Jörg Rösler, Geschäftsführer des Landesverbandes, aufmerksam. Demnach haben die Züchter nicht nur mit niedrigen Wollpreisen zu kämpfen, auch mit der Einfuhr von Lammfleisch und mit der Konkurrenz auf den Wiesen. Denn statt Schafherden zur Landschaftspflege einzusetzen, komme immer mehr Technik zum Einsatz. Das auch, weil Biogasanlagen mit Gras "gefüttert" werden wollen.