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Saalekreis Saalekreis: Medizin rettet Heilpraktiker

Von TILO KRIPPENDORF 12.07.2011, 16:46

QUERFURT/MZ. - "Der Tumor war böse aber artig." Mit diesem Wortspiel und einem Schuss Selbstironie versucht Reiner Popp seine Erfahrungen mit der Schulmedizin zu umreißen. Der gelernte Maschinenbau-Ingenieur arbeitet seit 1993 als Heilpraktiker in Querfurt. Als solcher ist er der klassischen Medizin gegenüber naturgemäß eher skeptisch eingestellt und behandelt seine eigenen Patienten mit alternativen Heilmethoden. Auch den eigenen Krebs versuchte er mit Verfahren der biologischen Krebstherapie in die Schranken zu weisen - vier Jahre lang - bis es nicht mehr ging. "Ich wurde durch die Schulmedizin neu geboren", sagt der 58-Jährige heute.

Bei Popp wurde 2007 ein Nierenkarzinom festgestellt. Nachdem er bei verschiedenen Ärzten sehr schlechte Erfahrungen bei Beratung und Diagnose gemacht habe, entschloss er sich zu einer Eigenbehandlung. Mit Hilfe der Homöopathie, Entgiftungsmitteln, Nahrungsergänzungsmitteln und einer Ernährungsumstellung "war ich sicher, dass mein Organismus den Krebs überwunden hat", erklärt Popp. Allerdings war das wohl eine falsche Einschätzung.

Im Urlaub schlug die Krankheit richtig zu. In Südtirol konnte er nicht mehr auf die Toilette gehen, die Harnröhre war zu. Als er in das dortige Krankenhaus ging, wollte man ihn sofort operieren - der Tumor war inzwischen 35 Zentimeter groß und mehr als ein Kilogramm schwer, die rechte Niere nur noch fünf Zentimeter klein. Doch der Heilpraktiker entschied sich dagegen und fuhr mit seiner Frau in die Heimat. Am Abend der Ankunft wollte er nur schnell in die Notaufnahme des Carl-von-Basedow-Klinikums um sich einen Katheder legen zu lassen. "Mein Mann hat die Tür offen gelassen, das Licht brennen lassen und meinte er sei gleich wieder da", erzählt die 54-Jährige Ute Popp, Physiotherapeutin mit einer Praxis gleich neben der ihres Mannes. Doch ihr Mann kam nicht.

Der Arzt der Notaufnahme überzeugte Popp, sich sofort auf die Urologie in Merseburg verlegen zu lassen. Dort wurde er dann Ende Juni operiert. Während der fast fünfstündigen Operation kam es aber zu Komplikationen, eine Vene war geplatzt. "Dank des Gefäßspezialisten, der gerade im Nachbar-OP war, konnte die starke Blutung aber gestoppt werden. Ihm verdanke ich vielleicht mein Leben", freut sich Popp, der inzwischen auf dem Weg der Genesung ist.

Der Tumor sei wie ein Lederball gewesen, praktisch eingekapselt. Es gebe keine Metastasen, der Krebs habe nicht gestreut. "Die Ärzte sagten mir, das sei eine Chance von eins zu 10 000." Popp führt das auf seine eigene Behandlung zurück und hebt besonders hervor, dass seine alternativen Ansichten zur Medizin von niemandem im Klinikum angezweifelt wurden. Er war so positiv überrascht von der Behandlung, dass "ich mich nur bei allen Leuten des Hauses herzlichst bedanken kann." Er konnte seine Vorurteile der Schulmedizin gegenüber aufgrund der Behandlung revidieren.

Den Ansatz der Ganzheitlichkeit, die ja Grundlage seiner eigenen Arbeit sei, habe er auch in Querfurt und Merseburg erlebt. "Die Ärzte haben sich wirklich für mich Zeit genommen und mich ausführlich beraten", erläutert Popp den Aufenthalt im Krankenhaus.

"Ich musste meine Grenzen anerkennen, die Schulmedizin hat mich wiedergeboren", fasst der Heilpraktiker seine Erfahrung zusammen. Doch Popp denkt dabei nicht in Schwarz-Weiß. Sein Wunsch sei es, dass alternative Heilmethoden und klassische Medizin enger zusammen arbeiten könnten und die ganzheitliche Betrachtung der Patienten mehr in den Fokus rücke. Da seine Behandlungen nicht von den Krankenkassen bezahlt werden, sei das im Moment aber nicht realisierbar. Trotzdem könne auch er vielen Menschen helfen, ebenso wie die Ärzte.