Saalekreis Saalekreis: Das XXL-Notstromaggregat
GROSSKAYNA/MZ. - Wir betätigen einen Schalter, und das Licht geht an, die Wäsche wird gewaschen, die Kaffeemaschine setzt sich in Gang. Das ist selbstverständlich - und zwar rund um die Uhr. Auch wenn Millionen Menschen gleichzeitig Strom benötigen, ist er immer da. Welcher Aufwand dafür betrieben werden muss, diese Frage wurde Sonnabend beim Tag der offenen Tür im Spitzenlast-Kraftwerk Großkayna der Envia Therm GmbH beantwortet. Der Andrang von über 500 Interessenten war enorm.
"Diese Anlage stellt nur Strom für jene Spitzenzeiten bereit, in denen der Bedarf besonders hoch ist, also zwischen 6 und 8 Uhr und abends zwischen 16 und 20 Uhr. Außerdem müssen Unterschiede bei der Einspeisung von Wind- und Solarenergie ausgeglichen werden, die davon abhängig ist, ob Wind weht oder die Sonne scheint. Es geht am Standort also darum, einen Beitrag zur Beherrschung von Stromengpässen zu leisten", erklärt Uwe Pohl von der Abteilung Services der Envia Therm.
Tatsächlich sei das Kraftwerk nur 100 bis 300 Stunden im Jahr in Betrieb und sonst in einer Art Bereitschaftsstellung, sagt Dirk Lauberbach, Leiter Betrieb und Prokurist des Unternehmens. Doch wenn vom operativen Dienst in Markkleeberg die sofortige Anforderung käme, hochzufahren, werde von den drei Gasturbinen binnen 15 Minuten eine Leistung von 120 Megawatt erzeugt. Nur ein Mitarbeiter ist vor Ort für regelmäßige Kontrollarbeiten des Ablaufs nötig.
2012 dürften allerdings etwas mehr Betriebsstunden zusammenkommen. Denn in den kalten Februartagen mit minus 20 Grad sei der Strombedarf groß gewesen. In dieser Ausnahmesituation musste das Großkaynaer Kraftwerk rund um die Uhr arbeiten, ist weiter zu erfahren. Und weil die riesigen Heizöltanks, die ein Fassungsvermögen von zwei Millionen Litern haben, nach 48 Stunden leer waren, musste aus Leuna praktisch ununterbrochen Nachschub geliefert werden. "Das war von allen Beteiligten schon eine logistische Meisterleistung", schätzt Dirk Lauberbach ein. Das Heizöl wird mittels Pumpen in die Gasturbinen gepumpt, 40 000 Liter pro Stunde, wenn es sein muss. Die drei Gasturbinen treiben Generatoren an, die dann den Strom erzeugen. Dieser wird über Transformatoren in die Leitungen eingespeist, die von Großkayna aus nach Leuna, Weißenfels und Bad Lauchstädt führen. Von dort wird der Strom in ganz Deutschland weiterverteilt.
Allerdings: Die bei dem ganzen Prozess entstehende Abwärme von bis zu 500 Grad Celsius entweicht ungenutzt über die drei je 50 Meter hohen Schornsteine. Alternativen gebe es derzeit aber nicht, so Dirk Lauberbach. "Kohlekraftwerke etwa müssten mehrere Stunden vor einer Stromerzeugung in Gang gesetzt werden. Wir können und müssen quasi sofort reagieren", so der Betriebs-Chef. Das 1993 für 105 Millionen D-Mark errichtete und 1994 in Betrieb gegangene Spitzenlast-Kraftwerk sei also auch weiterhin unverzichtbar. Die gut gewarteten Turbinen hätten noch eine Lebensdauer von gut 30 Jahren.
Der Standort wurde damals gewählt, weil sich am ehemaligen Tagebau und heutigen Großkaynaer See zuvor ein Kohlekraftwerk befunden hatte. "Die Infrastruktur war vorhanden, so zum Beispiel auch die Anbindung an das Stromnetz. Zudem liegt Großkayna in unmittelbarer Nähe zu den Chemiestandorten Leuna und Schkopau", so Uwe Pohl.