1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Merseburg
  6. >
  7. "Regelrecht zum Siegen verdammt": "Regelrecht zum Siegen verdammt": Merseburger Bäckermeister feiert 25-jähriges Jubiläum

"Regelrecht zum Siegen verdammt" "Regelrecht zum Siegen verdammt": Merseburger Bäckermeister feiert 25-jähriges Jubiläum

Von Undine Freyberg 28.11.2020, 14:00
Ein ziemlich ausgeschlafener Typ: Bäckermeister Thomas Rahaus backt Stolle.
Ein ziemlich ausgeschlafener Typ: Bäckermeister Thomas Rahaus backt Stolle. Katrin Sieler

Merseburg - 120 Tonnen Mehl hat Bäckermeister Thomas Rahaus im vergangenen Jahr mit seinem Team verarbeitet. Um aus dieser unvorstellbaren Menge Brot, Brötchen, Kuchen und Torten zu machen und die auch verkaufen zu können, braucht es viele fleißige Hände. „Stimmt. Wir haben mittlerweile auch mehr als 30 Mitarbeiter “, erzählt der 48-Jährige, der im Herbst vor 25 Jahren sein Geschäft am Neumarkt eröffnet hat. „Wir haben quasi Silberhochzeit“, schmunzelt der gebürtige Merseburger. Und in diesen zweieinhalb Jahrzehnten hat sich einiges getan.

Zum Siegen verdammt: Familienbetrieb feiert 25-jähriges Bestehen

„Früher hatten meine Großeltern hier ihre Bäckerei, dann wurde das Geschäft verpachtet“, erzählt Thomas Rahaus. Zum Teil sei es ein Lager vom Konsum gewesen. Wo jetzt der Verkaufsraum ist, wurde nach der Wende eine Eisdiele betrieben. 1995 habe er dann mit einem kleinen Laden angefangen.

„Nur mit meinen Eltern und meiner damaligen Frau und mit ganz wenig Geld. Nur einen Backofen und die Ladeneinrichtung habe ich neu angeschafft.“ Den Rest habe er irgendwo aus Geschäftsauflösungen zusammengestoppelt. „Es musste einfach funktionieren. Ich war regelrecht zum Siegen verdammt.“

Idee einer zweiten Filiale mit Café aus der Not geboren

Gelernt habe er bei Bäcker Wendt in Leuna, wo er beinahe wie ein Sohn behandelt und gefördert worden sei. Seinen Meister habe er in Atzendorf bei Bäcker Richtzenhain gemacht, und an sein Meisterstück kann er sich natürlich auch noch gut erinnern. „Da der Film ’Go Trabi Go’ gerade aktuell war, hab ich einen Trabi aus geflochtenem Salzteig gemacht.“ Damit habe er bei den älteren Herren von der Prüfungskommission gut gepunktet, schmunzelt er.

Zum Zehnjährigen am Neumarkt, habe man sich das neue Café geschenkt und damit auch der Stadt und der Straße einen Gefallen getan. Denn mit dem Neubau verschwand auch eine Baulücke. „Als wir dann die Info bekamen, dass der Neumarkt saniert werden soll und wir nicht wussten, wie das für uns ausgehen würde, haben wir eine Idee vorangetrieben, die wir schon länger hatten - eine zweite Filiale mit Café in der Halleschen Straße zu eröffnen.“

Schlossbrot nach einem ganz altem Rezept des Urgroßvaters 

Damals konnte der 48-Jährige noch nicht ahnen, dass seine Idee eines Drive-in-Schalters ihm auch in heutigen Corona-Zeiten helfen würde. „Viele nutzen den gerade in der aktuellen Situation sehr gern.“ Zu Rahaus’ Ideen zählen aber auch Dinge wie das Rabentörtchen, das Bischofsbrötchen oder das Schlossbrot. „Das mache ich übrigens nach einem ganz alten Rezept meines Urgroßvaters aus 100 Prozent Roggen“, verrät der Bäckermeister, der mittlerweile auch seit 1997 den traditionellen Riesenstollen für den Merseburger Weihnachtsmarkt spendiert.

Allerdings geht er davon aus, dass er den in diesem Jahr wohl nicht backen wird. „Ich glaube nicht daran, dass es eine Schlossweihnacht geben wird. Wenn Merseburg nicht absagt, würden ja die Leute von überall her zu uns kommen. Das geht glaube ich nicht“, macht Thomas Rahaus ein nachdenkliches Gesicht.

Bäckermeister musste Cafés wegen Corona-Regeln schließen

Für einige seiner Mitarbeiter habe er Kurzarbeit anmelden müssen. „Unsere Cafés sind aktuell geschlossen. Aber ich hoffe, dass wir es irgendwie schaffen, dass es für unsere Mitarbeiter kaum finanzielle Einschränkungen gibt - immerhin steht Weihnachten vor der Tür.“ Seine Leute hätten sich immer auf ihr Gehalt verlassen können. Deshalb helfe er auch mal mit einem zinslosen Kredit.

Ehefrau Wenke Rahaus, die seit zwei Jahren in der Firma mitarbeitet, für Personalfragen zuständig ist und ihren Mann in der Geschäftsleitung unterstützt, lobt vor allem das Klima im Betrieb. „Sogar das Trinkgeld, dass die Leute im Normalfall zum Beispiel im Café geben, wird anteilig aufgeteilt, so dass auch die Putzfrau oder derjenige, der die Kuchenbleche abwäscht, etwas bekommen“, erzählt sie.

Frühaufsteher muss man sein

„Jede Arbeit ist doch wichtig.“ Die Bäckerei sei mittlerweile zu einem echten Familienunternehmen geworden. „Mein Sohn Moritz - er ist 20 - ist im dritten Lehrjahr zum Konditor und Michelle, die Tochter meines Mannes ist mit ihren 19 Jahren im dritten Lehrjahr zur Bäckereifachverkäuferin.“ Bäcker würden aktuell nicht ausgebildet.

„Wir fangen morgens um 2.30 Uhr an, samstags sogar um 1.30 Uhr. Da ist bei uns Großkampftag“, sagt der Chef. „Da kann man nicht Freitagabend ewig lange unterwegs sein - ich meine in Nicht-Corona-Zeiten.“ Deshalb bilde er nur junge Leute aus, die genau wüssten, worauf sie sich einlassen. „Und für die das trotzdem der Traumjob ist.“ (mz)