Rabenkäfig nicht mehr zeitgemäß? Rabenkäfig nicht mehr zeitgemäß?: Forderung nach Umzug der Vögel und Abriss der Voliere

Merseburg - Ist es noch zeitgemäß, zwei Raben in einer Voliere vor dem Merseburger Schloss zu halten? Nein, sagt die gebürtige Merseburgerin Gerlinde Biehaule, die heute in Bayern lebt. Sie fordert in einem Brief an die Stadt als Eigentümer der Tiere und den Kreis als Hausherr des Käfigs eine artgerechte Unterbringung in einem Vogelpark oder deren Auswilderung sowie den Abriss des Käfigs. An seiner Stelle könnte, so ihr Vorschlag, eine nach einem öffentlichen Wettbewerb angefertigte Raben-Skulptur aufgestellt werden. Dafür wäre sie auch bereit, als Grundlage für ein Spendenkonto 1.000 Euro zu geben.
Mit ihrem Vorstoß lebt ein alter Streit um das Merseburger Wappentier und die Raben-Sage aus dem 15. Jahrhundert wieder auf. Laut ihr ließ der Merseburger Bischof Thilo von Trotha den Rabenkäfig aufstellen. Er hatte zuvor seinen Kammerdiener Johann wegen des Diebstahl seines wertvollen Siegelrings hinrichten lassen. Doch dann stellte sich dessen Unschuld heraus, als bei Reparaturen auf dem Domturm der Ring in einem Rabennest entdeckt wurde. Seitdem müssen die Nachkommen des diebischen Vogels diese Tat büßen.
Rabenkäfig Merseburg: 2004 kam es zu Protesten von Tierschützern
Das warf in der Vergangenheit schon oft die Frage auf, ob diese Haltung artgerecht ist. So wurde Ende der 90er Jahre darüber diskutiert, als der Rabe aufgrund von Bauarbeiten am Dach des Schlosses und des damit verbundenen Baulärms vorübergehend in den Südpark zog. Er kam letztlich zurück mit der Maßgabe, dass sein zu kleiner Käfig vergrößert werden muss. Als das nicht passierte, kam es 2004 am Käfig zu Protesten von Tierschützern.
Stadt und Kreis beugten sich erst und befürworteten einen Umzug. Doch seitens der Merseburger brach ein Sturm der Entrüstung los. Schließlich wurde beschlossen, dass eine Voliere an den Käfig angebaut wird und der Rabe eine Gefährtin bekommt. 2006 wurde die 32 Quadratmeter große Voliere eingeweiht. Seitdem wohnt dort ein Rabenduo. „Die Legende eines abhanden gekommenen Ringes, ein reicher und ebenso grausamer Bischof, der deswegen einen Menschen hinrichten ließ, und zum traurigen Schluss auch noch einen Vogel in Sippenhaft nimmt, ist einfach ganz fürchterlich“, so Gerlinde Biehaule. „Diese intelligenten Kolkraben auch nach Hunderten von Jahren deswegen noch gefangen zu halten, ist doch absolut nicht mehr zeitgemäß.“
Kreisverwaltung: „Bei den beiden Raben im Käfig am Schloss handelt es sich um Handaufzuchten“
Die Kreisverwaltung lehnt ihren Vorschlag ab. „Bei den beiden Raben im Käfig am Schloss handelt es sich um Handaufzuchten, die im Freien keine Überlebenschance hätten“, heißt es auf MZ-Anfrage. „Den Tieren geht es gut, und sie werden artgerecht gehalten. Dafür sorgen unter anderem zwei Pflegerinnen und das Veterinäramt. Vor diesem Hintergrund wäre eine Unterbringung der Tiere in einem Vogelpark oder einem Zoo keine Alternative.“ Der historische Rabenkäfig könne zudem nicht abgerissen werden. Denn er gehöre zum baulichen Ensemble von Dom und Schloss dazu und stehe unter Denkmalschutz.
Der Hinweis auf eine Rabeninstallation oder Skulptur sei jedoch ein guter Vorschlag für die Zukunft, so der Kreis. Das zeigten die Erfahrungen mit dem Original des steinernen Rabens, der bis zu seiner mutwilligen Zerstörung durch Vandalen 2016 den historischen Käfig zierte. Die Sandsteinfigur von einer Weißenfelser Firma reparieren und kopieren zu lassen, hatte anschließend ein Jahr gedauert und 7 300 Euro gekostet. Das Original steht heute in der Bürgerinformation im Vorschloss. Die Kopie ziert die Spitze des Käfigs. (mz)