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Prüflinge im Saalekreis  Prüflinge im Saalekreis : Zu doof für den Führerschein?

Von Michael Bertram 20.05.2016, 20:04
Die Auswahl an Führerscheinklassen ist groß. Und doch fallen auch im Saalekreis viele Schüler durch die theoretische und praktische Prüfung.
Die Auswahl an Führerscheinklassen ist groß. Und doch fallen auch im Saalekreis viele Schüler durch die theoretische und praktische Prüfung. Wölk

Merseburg/Querfurt - Spielende Kinder, grüne Pfeile und dann auch noch die kreuzende Straßenbahn - Fallstricke für Fahrschüler gibt es viele. Auch im Saalekreis scheint der tägliche Wahnsinn auf den Straßen viele Führerscheinanwärter völlig zu überfordern. Anders lässt es sich nicht erklären, dass die Durchfallerquote deutlich über dem bundesweiten Schnitt liegt. Doch selbst in der Theorie scheinen viele mit den Verkehrsregeln auf dem Kriegsfuß zu stehen, denn hier schneiden die hiesigen Fahrschüler ebenfalls schlecht ab.

Zum Sparen angeregt

Laut Angaben der Dekra, die sowohl die theoretischen als auch die praktischen Führerscheinprüfungen abnimmt, blieben im vergangenen Jahr im Bereich Halle, zu dem auch der Saalekreis gehört, in der Praxis 38,2 Prozent der angetretenen Fahrschüler auf der Strecke, bundesweit hatten laut Angaben des Kraftfahrtbundesamtes lediglich 26,2 Prozent in diesem Bereich versagt. Bei den theoretischen Prüfungen leisteten sich sogar 43,9 Prozent der Fahrschüler zu viele Fehler. Bundesweit lag die Durchfallerquote über fünf Prozentpunkte niedriger. Zum Vergleich: Die Spitzenreiter aus Hessen lagen in beiden Bereichen klar unter 30 Prozent.

Sind die hiesigen Fahrschüler einfach zu doof oder ist etwa die Ausbildung in den Schulen zu schlecht, um den Führerschein auf Anhieb erwerben zu können? „Das sicher nicht“, meint Hartmut Schmidt, der in Merseburg und Günthersdorf eine Fahrschule betreibt. „Es ist aber einfach so, dass die Menschen in Sachsen-Anhalt nicht so viel Geld haben wie jene in anderen Bundesländern - das zwingt viele dann eben auch beim Führerschein zum Sparen“, erklärt er.

Soll heißen, weil das Geld knapp ist, nehmen die Sachsen-Anhalter die Führerscheinprüfung womöglich deutlich früher wahr als Menschen aus anderen Bundesländern, die sich ein paar mehr Proberunden leisten können. Für diese These spricht zumindest, dass die ostdeutschen Länder meist schlechter abschneiden als westdeutsche, mal abgesehen von den Stadtstaaten wie Bremen und Hamburg.

Dabei seien 35 bis 40 Fahrstunden, inklusive Sonderfahrten, zu empfehlen, um die nötige Sicherheit zu gewinnen, meint Schmidt. „Man kann das aber auch nicht verallgemeinern, es kommt immer auf den einzelnen Schüler an“, sagt er. Demnach seien manche nach 20 Stunden schon ausreichend fit, andere Schüler hätten sich selbst mit 100 Einheiten noch nicht zur Prüfung angemeldet.

Prüfung auf dem Handy

Jedoch erklärt dies nur die hohen Durchfallerquoten in der Praxis, nicht jedoch in der Theorie. Denn hier zählt vor allem Lernarbeit. „Der Mensch beschäftigt sich heutzutage mit so vielen Dingen“, klagt Schmidt. Hatte früher bei jungen Leuten der Führerschein oberste Priorität, sei es heute das Internet. Dabei könnte gerade das ein Vorteil sein. „Da die Prüfungen heute nur noch elektronisch und auch mit der Einbindung von Videosequenzen abgenommen werden, gibt es Anwendungen für den heimischen Rechner, sogar fürs Handy“, erzählt Schmidt. „Das alles wird aber noch zu wenig genutzt.“

In seiner Fahrschule muss jeder Führerscheinanwärter darüber hinaus eine Vorprüfung absolvieren. Erst wenn die erfolgreich gelaufen ist, wartet die richtige. „Gut die Hälfte unserer Schüler überschätzt dabei ihr Wissen, so dass es gut ist, sie so zu sensibilisieren“, sagt Schmidt.

Vorwürfe, dass Fahrschulen ihren Schützlingen ganz bewusst zu früh zu Prüfungen raten, um so womöglich auf dem umkämpften Markt mehr Geld an ihnen zu verdienen, weist Schmidt zurück. „Die Fahrschullandschaft hat sich rapide verändert, es gibt nicht mehr so viele Konkurrenten wie früher“, erklärt er. Der wirtschaftliche Druck habe somit nachgelassen. Und überhaupt: „Ich selbst habe doch ein ureigenes Interesse daran, nur jemanden auf die Straße zu schicken, der sicher fahren kann.“ (mz)

Die Theorieprüfung wird heute am PC abgenommen.
Die Theorieprüfung wird heute am PC abgenommen.
Bertram