Neujahrsgruß im Ständehaus Neujahrsgruß im Ständehaus: Ist Merseburg klamm, aber liebenswert?

Merseburg - Nach dem glamourösen Neujahrsempfang des Saalekreises am Dienstag im prachtvollen Ständehaus geht es am Donnerstagabend beim Neujahrsgruß der Stadt Merseburg deutlich bescheidener zu - was aber in die Zeit passt.
Auf den königlichen Empfang auf der Treppe verzichten Oberbürgermeister Jens Bühligen und Stadtrats-Vorsitzender Hans-Hubert Werner (beide CDU). Man wolle den Grippeviren keine neuen Opfer bescheren und lieber etwas auf Distanz bleiben, heißt es. In Wahrheit dürfte die Finanzlage der Stadt, über deren dramaturgischen Grad gestritten wird, der Grund für die Zurückhaltung gewesen sein.
Startschuss für neue Diskussionskultur?
Um es vorweg zu nehmen, vielleicht erweist sich der Neujahrsgruß sogar als Startschuss in eine letztlich doch konstruktive politische Diskussionskultur. Werner erinnert an den früheren Regierenden Bürgermeister von Berlin, Klaus Wowereit (SPD).
Er hatte angesichts der nun wahrlich desaströsen Haushaltssituation der Hauptstadt einmal gesagt: „Berlin ist arm, aber sexy!“ Werner münzte den Spruch auf die Domstadt um. „Merseburg ist klamm, aber liebenswert.“
Der OB klammert den aktuellen Disput mit der SPD und ihrem Fraktions-Chef Steffen Eichner fast komplett aus. „Heute Abend ist nicht der richtige Anlass, darüber zu diskutieren. Aber wir werden in der Zukunft eine gemeinsame Lösung finden“, sagt er.
Schandfleck in der Innenstadt soll verschwinden
Bühligen spricht lieber über positive Beispiele in der Stadt. Den Bauboom mit ausgelasteten Wohngebieten etwa oder das private Engagement bei der Sanierung der alten Bausubstanz. In diesem Zuge verkündet der Oberbürgermeister eine wichtige Botschaft.
Die verfallenen Gebäude an der Ecke Apothekerstraße/Ritterstraße, ein Schandfleck in der Innenstadt, haben neue Eigentümer. Und diese Investoren wollen die Häuser vor dem weiteren Verfall bewahren.
Das sind die positiven Entwicklungen in Merseburg
Was Bühligen außerdem hervorhebt: Die Einwohnerzahl Merseburgs hat sich stabilisiert. Und heute würden doppelt so viele Kinder im Alter bis zehn Jahre in der Stadt leben, nämlich rund 3.000. Darunter seien auch Mädchen und Jungen aus Migrantenfamilien, die integriert werden müssten, so Bühligen.
Gemeinsam mit dem Stadtratsvorsitzenden dankt der OB zudem verdienstvollen Bürgern für ihre Leistungen. Ilona Ortmann leitet seit 26 Jahren die Grundschule am Geiseltaltor. Hier lernen deutsche Steppkes und Kinder aus Asylbewerberfamilien in Patenschaften gemeinsam - ein erfolgreiches Modell, wie Bühligen betont.
Während Manfred Funke, langjähriger Vorsitzender des Mitz-Förderkreises, krankheitsbedingt die Ehrung nicht entgegennehmen kann, freut sich Günter Hannuschka über die Anerkennung für den Merseburger Altstadtverein. Für das aktuelle Projekt, die Sanierung des Staupenbrunnens vom Markt, hat der Verein bereits 15.000 Euro gesammelt. Beeindruckend.
Der Neujahrsgruß der Stadt hat dem Pendant des Kreises dann doch etwas voraus: Nach nur 45 Minuten ist der offizielle Teil vorbei, es bleibt noch genügend Zeit für Gespräche. Klamm zu sein, hat manchmal auch Vorteile. (mz)