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MZ-Serie MZ-Serie: Die Kugel weckte ihren Ehrgeiz

Von Corinne Treder 22.11.2001, 21:10

Mücheln/MZ - Oft stieg sie gleich nach Dienstschluss inden Mannschaftsbus, fuhr stundenlang zum Wettkampf,brauchte volle Konzentration auf der Kegelbahn.Danach dann ein paar Stunden Schlaf, im Bus.Jahr aus, Jahr ein. Zu Hause warteten ihrMann und die zwei Töchter, die inzwischenelf und dreizehn Jahre alt sind. Dann warenda noch die Knieprobleme, über die wohl vieleKegler klagen, die zu DDR-Zeiten auf den asphaltiertenBahnen ihre Kugeln schoben. Diese Belastungenhält man nicht ewig durch.

Der Abschied vom Kegeln war unwiderruflich,wenn auch nicht endgültig. Denn die Bundesliga-Männervom Sportverein Geiseltal Mücheln wollte sieals Trainerin haben. "Das hat mich schon gereizt",sagt die Frau mit den jugendlich blonden langenHaaren. Nicht nur, weil sie beruflich im KlinikumMerseburg nur Frauen um sich hat und sie auchzu Hause in der Überzahl sind... Dazu bliebder Trainerposten ja auch in der Familie.Beate Schönerstedts Vater, Heinz Bunzel, warüber vierzig Jahre dem Sportverein eng verbundenund dachte als Mittsiebziger langsam ans Aufhören.

Durch den Vater ist sie zum Kegeln gekommen,auch wenn sie es anfangs "todlangweilig fand",ihn zu den Wettkämpfen zu begleiten. Erst,als sie selbst zur Kugel griff, wurde ihrEhrgeiz geweckt. Das war vor mehr als 25 Jahren.Irgendwann hielt sie dann auch ihre ersteMedaille in der Hand. "Das muss bei einerKreismeisterschaft gewesen sein", sagt sie.Nur an das Ergebnis, daran erinnert sie sichgenau. 324 Punkte waren es gewesen. Buch hatBeate Schönerstedt aber über ihre Leistungennie geführt, an die wichtigsten Siege erinnertsie sich freilich schon. Aufgereiht hängendie Medaillen an einer Wand im Partykellerihres neu gebauten Hauses in Braunsbedra,ganz oben die von den Weltmeisterschaften,darunter all die anderen, bis hin zu denenvon Jugendspartakiaden. "Das hat mein Manngemacht", sagt sie bescheiden. Wohin auchsonst mit dem Blech, und der Vielzahl derPokale noch dazu? In der Ecke steht der großeWeltpokal, den sie per Zug aus Wien mitgebrachthat. Wegen seiner halbrunden, oben offenenForm war er auf dem Bahnsteig bei der Rückfahrtmit einem Aschenbecher verwechselt worden.

Dass sie eine Nischen-Sportart betreibt undviele maximal Geselligkeit oder die Weihnachtsfeierim Betrieb mit Kegeln in Verbindung bringen,stört die gebürtige Müchelnerin nicht. Sicher,Stars aus olympischen Disziplinen werden mehrumjubelt. Doch neidisch darauf ist sie nicht.Was sie am Kegeln reizt? "Es ist ein sehrabrechenbarer Sport." Man ist eigenverantwortlich,auch wenn man in der Mannschaft spielt. Esbedarf einer gewissen Kondition und mentalerFähigkeiten, "psychisch muss man sehr starksein".

Zu Wendezeiten gewann das Kegeln für sie eineneue Dimension. Die Welt war größer gewordenund die Schönerstedt hätte sich einen Vereinim Westen aussuchen können, der viel Geldfür so eine wie sie gezahlt hätte. Doch Weggehenwar für sie nie ein Thema. Dafür sind ihrfamiliäre Dinge viel zu wichtig. Heute betreutsie als Trainerin acht Männer auf der Bahn.Bis vor kurzem zog sie sich während des Trainingsin Abständen noch in die Kabine zurück. UmBaby Jonas zu stillen. Für den Sohn, den "Kronprinzender Familie", der gerade ein halbes Jahr altgeworden ist, nimmt sie beruflich eine Auszeit.Ein ganzes Jahr gönnt sie sich. Ihre beidenTöchter hatte sie während des Medizinstudiumszur Welt gebracht und war damals nach kurzenPausen schnell wieder in den Hörsaal zurückgekehrt.