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MZ-Interview mit dem Polizeichef im Saalekreis MZ-Interview mit dem Polizeichef im Saalekreis: "Flüchtlinge sind kein Sicherheitsrisiko"

Von Dirk Skrzypczak 25.09.2015, 15:38
Polizeidirektor Thomas Werner ist der Leiter des Reviers im Saalekreis. Er widerspricht Aussagen, die Flüchtlinge per se kriminalisieren.
Polizeidirektor Thomas Werner ist der Leiter des Reviers im Saalekreis. Er widerspricht Aussagen, die Flüchtlinge per se kriminalisieren. Peter Wölk Lizenz

Merseburg - In sozialen Netzwerken verbreiten sich solche Nachrichten wie ein Lauffeuer: Dort, wo Flüchtlinge etwa in Heimen untergebracht werden, steigt die Kriminalität. Kinder wären nicht mehr sicher, abends könne man sich nicht mehr vor die Tür trauen. „Flüchtlinge sind definitiv kein Sicherheitsrisiko“, sagt Thomas Werner, Leiter des Polizeireviers im Saalekreis. MZ-Redakteur Dirk Skrzypczak hat mit dem Polizeidirektor gesprochen.

Nicht nur in sozialen Netzwerken, auch auf Flugblättern wie in Merseburg-West werden Flüchtlinge pauschal kriminalisiert. Lassen sich die Behauptungen statistisch belegen?

Werner: Aus unserer Kriminalitätsstatistik können wir dazu keine Ergebnisse ableiten, die das belegen. Also nein, die Kriminalitätsrate ist nicht höher.

Wo kommen die Gerüchte Ihrer Meinung nach dann her?

Werner: Die Menschen werden aus einer Vielzahl an Kanälen mit Informationen überschüttet. Was glaubhaft ist oder nicht, kann der einzelne kaum durchschauen. Mitunter entwickeln sich Meinungen wie die von den kriminellen Ausländern durch die Dramatisierung von Vorfällen. Kommt es in zentralen Unterkünften zu Spannungen innerhalb der Migranten aufgrund von ethnischen Konflikten, dann wird das in den Alltag projiziert. Aber ich kann ganz klar sagen: Ein Risiko für die öffentliche Sicherheit sind Flüchtlinge definitiv nicht.

Sie sprechen von Konflikten in Flüchtlingsheimen. Wie ist die Situation in Krumpa?

Werner: Dort gab es zuletzt eine Auseinandersetzung aufgrund eines Versorgungsproblems. Heimbewohner hatten sich über die Qualität des Essens gestritten. Es kam zu Handgreiflichkeiten. Als die Polizei eintraf, beruhigte sich die Lage. Wir haben das Personal sensibilisiert, uns sofort zu rufen, wenn die Gefahr besteht, dass Konflikte eskalieren könnten.

In sozialen Netzwerken wird Polizei und Staat vorgeworfen, Straftaten von Migranten zu vertuschen und die Öffentlichkeit bewusst zu täuschen, damit keine Unruhe aufkommt. Was sagen Sie dazu?

Werner: Straftat bleibt Straftat. In Deutschland gibt es einen rechtlichen Zwang zur Strafverfolgung. Und den setzen wir konsequent um. Das Ansehen oder die Herkunft einer Person spielen in diesem Punkt keine Rolle.

Durchforsten Sie gezielt das Internet, um strafrechtlich reagieren zu können, wenn etwa gegen Ausländer gehetzt wird?

Werner: Also wir im Revier machen das nicht. Aber wir handeln natürlich, wenn Anzeigen wegen Beleidigungen oder Verleumdungen erstattet werden. Und wir werden aktiv, wenn Straftaten im Raum stehen. Dazu muss uns aber jemand die entsprechenden Hinweise geben. Personell sind wir nicht in der Lage, das Internet zu überwachen.

Bürger fragen, warum in Polizeimeldungen keine Nationalitäten angegeben werden.

Werner: Es spielt statistisch keine Rolle. Wir unterscheiden lediglich nach deutscher oder nichtdeutscher Nationalität. Intern für unsere Ermittlungen wird natürlich die Herkunft sachgerecht erfasst.

Wie sind die Beamten im Revier denn gerüstet, wenn Migranten anrufen oder persönlich vorsprechen? Wie verständigt man sich?

Werner: Wir haben für uns zwei Lösungsansätze entwickelt. Zunächst können wir Migranten mit mehrsprachigen Merkblättern die wichtigsten Dinge erklären. Außerdem sind nicht wenige Flüchtlinge, die zu uns kommen, hochgebildet. Sie können englisch, unsere Beamten auch. Zumindest so, dass es mit der Verständigung klappt.

Ist es denn schon vorgekommen, dass Asylsuchende, die noch nicht registriert worden sind, im Revier stehen und um Hilfe bitten?

Werner: Ja, solche Fälle gab es bereits. Wir sind natürlich nicht die Erstaufnahmestelle, aber wir kümmern uns um die Menschen und organisieren die Weiterreise etwa nach Halberstadt.

Rufen Sie ein Taxi oder wie muss man sich das vorstellen?

Werner: Wir haben mit dem Landkreis eine Lösung gefunden. Bestehen keine Risiken beispielsweise durch eine Gesundheitsgefährdung, dann erhalten die Flüchtlinge eine Fahrkarte für den Zug. Wir bringen sie zum Bahnhof und achten darauf, dass sie die richtige Verbindung bekommen. Klappt das mit dem Zug nicht, aus welchen Gründen auch immer, dann müssen wir sie mit dem Streifenwagen selbst fahren. Aber das dürften nur Einzelfälle sein.

Für Sonnabend wurde in Merseburg-West eine Demonstration angekündigt. Motto: Gegen ein Flüchtlingsheim in dem Stadtteil. Stellen Sie rund um das Thema Asyl eine erhöhte Demonstrations-Aktivität fest?

Werner: Nein, da verzeichnen wir im Saalekreis keine gestiegenen Anmeldungen für derartige Demos. Aber spätestens seit Heidenau wissen wir, wie sich Aktionen entwickeln können. Darauf bereiten wir uns vor. Die Demo, die Sie ansprechen, wurde ordnungsgemäß angemeldet. Es gibt keine Hinweise, dass die Veranstaltung zu einem Problem werden könnte.

Noch eine Frage zum Schluss. Braucht auch die Polizei eine neue Form der Willkommenskultur? Immerhin verschicken Sie Mails bereist mit dem Slogan weltoffen und willkommen in Sachsen-Anhalt.

Werner: Das machen wir auf Initiative der Landesverwaltung. Ich weiß, dass die Landespolizei auch auf die Willkommenskultur bei den Bewerbern achtet. Einen Vorteil bei der Vergabe der Plätze haben Migranten dadurch nicht, aber auch keinen Nachteil. Die Fachhochschule der Polizei sieht es ebenfalls gern, wenn sich Menschen mit Migrationshintergrund bewerben.