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Muslime in Merseburg Muslime in Merseburg: Gebetsraum wird zu klein

Von Michael Bertram 10.10.2015, 15:51
Der Gebetsraum in Merseburg ist beim Freitagsgebet gut gefüllt.
Der Gebetsraum in Merseburg ist beim Freitagsgebet gut gefüllt. Peter Wölk Lizenz

Merseburg - Der Imam erhebt die Stimme zum Gesang - die Gläubigen senken ihre Köpfe, um zu beten. Ihre Blicke sind für mehrere Minuten auf den Boden gerichtet. Es klingt wie ein lautes Raunen, wenn die Muslime am Ende der Suren immer wieder laut „Amin“, Amen, sagen. In einem festen Ablauf nehmen sie verschiedene Positionen ein. Sie hocken auf den Knien, kippen nach vorn, um mit der Stirn den Boden zu berühren und so ihre Unterwerfung vor dem Universum zu zeigen, wie es heißt. Oder sie halten ihre Hände im Stehen zum Gebet vor sich, ganz so, als ob sie aus ihren Handflächen lesen würden.

Apps erinnern an die Gebetszeiten

Zwischen die in mehreren Reihen aufgestellten Gläubigen passt am Freitag kein Blatt Papier mehr. An die 100 Muslime sind es inzwischen, die jede Woche am frühen Nachmittag zum traditionellen Freitagsgebet in den Gebetsraum in der Merseburger Dammstraße kommen. 13.45 Uhr, so ist es vorgeschrieben, beginnt das Gebet zu dieser Jahreszeit.

Da der Zustrom anhält, muss in der Dammstraße wohl schon bald umgebaut werden, um den Gläubigen einen größeren Raum anzubieten. Nicht nur in Merseburg geht es eng zu. Auch die Moscheen in Halle plagen Platzprobleme.

In ihren Heimatländern weisen die Gebetsrufer auf den Minaretten oder per Lautsprecher auf die Einhaltung der Gebetszeiten hin. Die gibt es in Deutschland nicht. Viele Muslime setzen deshalb auf ihre Smartphones, spezielle Apps geben die Gebetszeiten vor. Da Muslime in Richtung der Kaaba, dem zentralen Heiligtum in Mekka, beten, ist auf den Geräten häufig auch ein Kompass installiert.

Als das Gebet beginnt, platzt die improvisierte Moschee in Merseburg aus den Nähten. Wer zu spät kommt, weicht auf einen Nebenraum auf der anderen Seite des Flurs aus. In diesem türmen sich unzählige Schuhe, die die Muslime vorm Betreten des Gebetsraums ausgezogen haben. Damit die Worte des Imams auch in dem anderen Raum zu verstehen sind, hängt ein Gläubiger kurzerhand die Tür aus.

Das Freitagsgebet ist das wichtigste im Islam. Denn zum einen ist es vom Koran, der Heiligen Schrift der Muslime, so vorgeschrieben. Zum anderen ist es ein Gemeinschaftsgebet - der Freitag ist im Islam ein Tag der Begegnung, erzählen die Gläubigen später.

Vom kleinen Jungen, der seinen Vater bei den genau vorgeschriebenen Gebetsritualen beobachtet, bis zum Senior: Jedes Alter ist beim Freitagsgebet vertreten. Araber, Afrikaner, ja, auch deutsche Muslime sitzen auf den Teppichen, beten gemeinsam. Einen Kompass braucht hier übrigens niemand. Denn die Läufer, auf denen die Gläubigen Platz genommen haben, liegen quer im Raum, weil sie schon in die richtige Himmelsrichtung ausgerichtet sind. Auf Teppichen, deren Muster keine klare Richtung vorgibt, weisen angebrachte Klebestreifen die Richtung.

Wer kein Arabisch versteht, für den übersetzt der Imam zumindest kurz, worum es in seiner aktuellen Predigt geht. An diesem Freitag stehen das Gebet selbst und dessen Regeln im Mittelpunkt. Die Predigt ist eingebettet in rituelle Gebetstexte, denen immer wieder auch der Ausruf „Allahu akbar“, Allah ist groß, folgt.

Ein Vorhang trennt die Geschlechter

Vor einer kleinen Nische hängt ein bläulicher Vorhang. Hinter ihm befinden sich die Frauen. Wie im Islam üblich beten Männer und Frauen getrennt. Wie die Gläubigen erklären, habe dies nichts mit einer Diskriminierung der Frauen zu tun. Die strikte Trennung nach Geschlechtern erfolge aus Gründen der Ablenkung. Sowohl Männer als auch Frauen sollen sich für die Zeit des Gebets ausschließlich Gott und nicht dem anderen Geschlecht widmen, wie sie sagen.

Nach einer guten halben Stunde ist das Freitagsgebet zu Ende. Die Gläubigen strömen ins Freie, gehen ihrer Wege. Einige stehen noch beieinander, führen Gespräche. Andere verharren im Gebetsraum, fügen dem Pflichtteil des Freitagsgebets freiwillige Gebete, die sogenannten Sunna, an, die individuell gestaltet sind.