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Musikalische Zeitreise Musikalische Zeitreise: Erste Autodisco in Merseburg lässt die 90er Jahre aufleben

Von Robert Briest 06.07.2020, 14:30
Für DJ André deLahoya war es der erste Auftritt vor Autos. Immerhin durften die Discobesucher in Merseburg ihre Wagen verlassen.
Für DJ André deLahoya war es der erste Auftritt vor Autos. Immerhin durften die Discobesucher in Merseburg ihre Wagen verlassen. Robert Briest

Merseburg - „I know what I want and I want it now. I want you, 'cause I'm Mr. Vain,“ Der Eurodanceklassiker von Culture Beat schallt am späten Samstagabend über die Merseburger Rischmühle. Scheinwerfer und eine LED-Wand an der Bühne tauchen das Areal in buntes Licht. Es ist 90er- und 2000er-Party. Eine äußerst treffende Bezeichnung für das, was sich dort abspielt.

Autodisco sollte wieder Leben nach Merseburg bringen 

Denn die in langen Reihen geparkten Autos mit ihren in kleinen Grüppchen drumherum postierten Insassen, erinnern – wenn auch in vergrößerter Form – stark an ein typisches Szenario der vergangenen Dekaden: Jugendliche, die sich mangels kultureller Angebote in Dorf und Kleinstadt in ihren – gern getunten – Karren auf leeren Supermarktparkplätzen treffen, um lautstark basslastige Musik zu hören.

An kulturellen Angeboten mangelt es wegen Corona auch heute. Gerade die Club- und Partyszene liegt seit März danieder. Mit der Autodisco am Freitag und Samstag unternehmen mehrere Merseburger Veranstalter einen Versuch ihr wieder etwas Leben einzuhauchen. Es ist ein Experiment, das die entfernten Nachbarn nicht zu sehr stören soll.

Bassbox und Autos: Die 90er Jahre lassen grüßen

Die Boxen an der Bühne, sind daher auf gehobene Zimmerlautstärke eingestellt. Kein Problem für Lorand. Er dreht bei Bedarf einfach sein Autoradio lauter. Schließlich wird das Set über eine spezielle Frequenz gesendet. „Die richtige Disco ist schöner, aber die Idee ist nicht schlecht“, lobt der Merseburger. Man treffe hier Freunde, er würde wiederkommen.

Das Lied wechselt. Der Fahrer im Wagen vor Lorand dreht am Regler und erweckt eine Bassbox zum Leben, die den halben geöffneten Kofferraum ausfüllt und die Bühnenlautsprecher spielend in den Schatten stellt. Die 90er lassen grüßen. Die dazugehörige Autobesatzung hat schon reichlich dem Alkohol zugesprochen. Die Partylaune stimmt.

Erinnerung über Abstandsgebot über Videoleinwand

DJ André deLahoya blickt dagegen konzentriert auf das Pult vor ihm. Gelegentlich drückt er einen Knopf. Ohne seinen regulären Job wäre er schon auf dem Amt. Veranstaltungen, Clubauftritte, Open Airs – alles sei weggebrochen, schildert er seine Situation: „Das einzige, was noch funktioniert, sind kleine Familienfeiern.“

Die Merseburger Autodisco ist für ihn eine Gelegenheit im Geschäft zu bleiben, auch wenn er anfangs skeptisch war, vor einer Masse Autos aufzulegen. „ Da kannst du ja nicht in die Gesichter gucken.“ Heute Abend dürfen die Gäste wenigsten aussteigen. Die siebte Coronaverordnung macht es möglich. Regelmäßige Anzeigen auf der Videowand erinnern an das Abstandsgebot.

Verhaltene Resonanz bei Autodisco in Merseburg

Am Bierwagen ist das leicht einzuhalten. Hier herrscht gähnende Leere. „Der Getränkeumsatz ist eine Katastrophe“, berichtet einer der Organisatoren. Kein Wunder, in den Autos lassen sich gut Flaschen mitbringen. Und Autos sind ohnehin weniger gekommen als erhofft. Statt 150 waren es 70 bis 80 am Freitag. „Heute sind es vielleicht 60 bis 70.“

Das rechne sich nicht. Die Autodisco könnte daher eine einmalige Aktion bleiben, deutet der Veranstalter an. Ein Rückschlag für ihn, schließlich rechnet er nicht damit, dass drinnen in diesem Jahr noch irgendwas geht.

Draußen ist das Publikum teils noch unsicher, was es vom Experiment halten soll. Sie hätten das Ausgehen vermisst, sagen Mara und Jannika aus Wansleben, aber hier sei halt wenig los. Die Musik sei zu leise. Andererseits finden sie die Überlegung mit der Autodisco eigentlich gut. Und immerhin hätten sie Freunde getroffen, mit denen sie feiern können. Die 90er sind doch besser als nichts. (mz)

In mehreren Reihen parkten die Autos vor der Bühne
In mehreren Reihen parkten die Autos vor der Bühne
Robert Briest