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Merseburgs Jugendblasorchester wird 50 Merseburgs Jugendblasorchester wird 50: Trompetentöne im Kleiderschrank

Von Katrin Löwe 01.06.2016, 14:00
Seinen Ursprung hatte das Orchester an der Curie-Schule.
Seinen Ursprung hatte das Orchester an der Curie-Schule. Repros

Merseburg - Es ist ein Erlebnis, das ihn nie wieder losgelassen hat. 1977: Leipzig ist Gastgeber des Turn- und Sportfestes der DDR, durch das Zentralstadion geht das Raunen von 100.000 Menschen, als ein Beatles-Medley erklingt. „Und du bist dabei und spielst. Da stellen sich mir noch heute die Haare am Arm auf“, sagt Roland Peterke. Gänsehaut-Gefühle nach fast 40 Jahren. Er war 13 und Mitglied des Merseburger Jugendblasorchesters, das in Leipzig auftrat.

Einer der besten DDR-Orchester

Heute sitzt Peterke (52) in seiner Küche in Meuschau, Trompete und Flügelhorn vor sich, die Gedanken beim bevorstehenden 50. Orchesterjubiläum, aber auch bei Höhepunkten, die er als junger Musiker miterlebt hat. Riesige Festivals, Parteitage, Probelager am Werbellinsee: Das Jugendblasorchester war immerhin Mitglied des Zentralen Musikkorps, der „14 besten DDR-Orchester“, wie Peterke sagt.

Er selbst war seit 1973 dabei, ein Jahr, nachdem das Orchester zum Besuch Fidel Castros in Merseburg spielte. Als Schüler der Curie-Schule - an ihr baute Musiklehrer Lothar Reinhard 1966 mit der Musikschule das Orchester auf - war das Hobby zunächst nichts Ungewöhnliches. „Streckenweise waren zehn Mann aus einer Klasse dabei“, so Peterke. Zwei oder drei davon waren es noch Jahre später.

Trompete statt Flöte

Er selbst habe sich zwischen Flöte und Trompete entscheiden können, so der Meuschauer. „Flöte fand ich aber uncool.“ Also wurde es die Trompete. Für die gab Peterke sogar vorübergehend den Fußball auf. Beides zusammen sei unerwünscht gewesen, sagt er. „Es gab einige, die dann lieber Fußballer geworden sind, auch Gute.“ Obwohl familiär nicht „vorbelastet“, steckte Peterke indes bald richtig Herzblut in die Musik. Dabei war der Anfang alles andere als einfach. Noch heute erinnert er sich an das Gefühl, nicht voranzukommen, an das Lachen von Lehrer Walter Sturm, der Schülertricks durchschaute, an dessen Strenge. „Viele sind an ihm verzweifelt, im Nachhinein bin ich aber froh, dass ich ihn als Lehrer hatte“, sagt Peterke. So lernt man.

Kleiderschrank-Akustik

Mit gemeinsamen Proben - damals noch getrennt in Nachwuchs-, Pionier- und großem Orchester - kam auch der Spaß. Nur zu Hause war das etwas schwierig mit dem Üben: In Merseburg-Nord lebten in Peterkes Nachbarschaft vor allem Schichtarbeiter. „Irgendeiner hat immer geschlafen, üben konnte man eigentlich nur zwischen 17 und 19 Uhr.“ Es war ein Trick von Sturm, der ihm wenigstens manchmal weiterhalf: Kleiderschrank aufmachen und dort hereinblasen - das schluckt die Lautstärke.

Nachwuchs fehlt

Inzwischen sind Jahrzehnte vergangen, das Jugendblasorchester wird offiziell nicht mehr so genannt. Das Kürzel „JBO“ im Namen „Städtischer Musikverein JBO Merseburg“ erinnert aber noch an die ursprüngliche Herkunft. 1992 wurde aus dem Orchester nach einer etwas „kopflosen Wendezeit“ ein Verein mit heute um die 30 Mitgliedern, der sich mit Waldemar Schlimper als Dirigent ab 1995 musikalisch wieder weiterentwickelte, heute auf Festen und Fackelumzügen auftritt, jährlich drei gut besuchte Weihnachtskonzerte gibt. Das jüngste Mitglied allerdings ist 22 Jahre alt. „Der eigentliche Nachwuchs fehlt total“, klagt Peterke.

Freitag 19 Uhr Jubiläumskonzert, Samstag ab 10 Uhr Blasmusikfest, ab 20 Uhr Spitzen-Blasmusik mit Zdenêk Gurský und der mährischen Blaskapelle Gloria, Details unter: www.musikverein-merseburg.de

Das Szenario klingt bedrohlich: Die Bläser könnten irgendwann aussterben. „Aber wir geben die Hoffnung nicht auf, wir wollen keine vom Aussterben bedrohte Spezies sein“, sagt der Mann, der heute Zweiter Vorsitzender des Vereins und gleichzeitig dessen dienstältestes Mitglied ist.

Einen der Hoffnungsschimmer hat Peterke im Übrigen in der eigenen Familie: Sohn Jonas (13) hat in diesem Jahr mit dem Trompetespielen begonnen. Als Knirps galt er schon mal als talentiert, war aber zu jung für die Trompete - „und danach hatte ich keine Chance mehr“, so Peterke. Jetzt schon.

Aufgeben gilt nicht - unter dem Motto „50 Jahre und kein bisschen leiser!“ feiert der Verein am Wochenende im Schlosshof ganz groß das 50-jährige Orchesterbestehen. (mz)

Roland Peterke ist dienstältestes Mitglied des Orchesters - nach der Trompete spielt er heute Flügelhorn.
Roland Peterke ist dienstältestes Mitglied des Orchesters - nach der Trompete spielt er heute Flügelhorn.
Peter Wölk
Auftritt 1972 bei den Schlossfestspielen in Merseburg.
Auftritt 1972 bei den Schlossfestspielen in Merseburg.
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