Merseburg Merseburg: Autorin und Heimatforscherin feiert 95. Geburtstag
MERSEBURG/MZ. - Wie hieß doch gleich die Gaststätte in der Merseburger Burgstraße, in der die noble Gesellschaft gern einkehrte? Und wie lange gab es das Restaurant am Ost-Ufer des Gotthardteichs? Auf solche Fragen kann eigentlich nur ein Mensch in der Stadt blitzschnell eine Antwort geben: Lieselotte Schinke.
Die heimatgeschichtlich versierte Dame überrascht andere oft mit ihrer geistigen Regsamkeit. Wer sie im Gespräch erlebt, mag es kaum glauben, dass die Merseburgerin am Montag ihren 95. Geburtstag beging. So schmal und zart sie wirkt, so vital ist sie immer noch - und an allem, was hier in der Region passiert, stark interessiert. Sie liest täglich die Mitteldeutsche Zeitung und verfolgt im Offenen Kanal regelmäßig die Berichte über die Stadtratsitzungen.
Von früher Jugend bis zur Rente war Lieselotte Schinke stets berufstätig, arbeitete in verschiedenen Branchen, zuletzt beim Kulturbund. Für Heimatgeschichte interessiert sie sich seit langem. Bereits 1983 begann sie mit ihren Recherchen über historische Merseburger Restaurationen. 1994 erschien dann im einheimischen Stollberg-Verlag das (leider längst vergriffene) Buch über Alt-Merseburger Gaststätten. Es genießt inzwischen Kultstatus und ist selbst antiquarisch schwierig zu besorgen.
Im Alter von 80 Jahren griff Frau Schinke, bis dahin engagiert in Stadtbibliothek, -archiv und Museum, im Freundeskreis Literatur und anderen Gruppen, eine Anregung von Prof. Ingrid Jungblut von der Basisgruppe Rentner auf und initiierte einen heimatgeschichtlichen Stammtisch. Hier werden Erinnerungen gepflegt und so manches vor dem Vergessen bewahrt.
Den Stammtisch gibt es immer noch, rund 15 Frauen und Männer gehören zum "harten Kern". Inzwischen wurden 32 Hefte der Reihe "Merseburg einst und jetzt" publiziert, von der 95-jährigen stammen elf Beiträge. Frau Jungblut erinnerte am Montag an etliche Episoden und wünschte der Jubilarin, "dass sie weiter so fit bleibt."
Von Werner Wolff, ebenfalls bekannter Merseburger Heimatforscher, bekam sie Fotos vom "Feldschlösschen" und dem Café Lauterbach, beides ehemalige Merseburger Gaststätten. Er wies zudem auf das 100-jährige Bestehen des Kaufhauses Dobkowitz im nächsten Jahr hin. Bürgermeisterin Barbara Kaaden würdigte das Wirken von Frau Schinke und hoffte, dass der Stammtisch noch lange besteht: "Sie hat es erreicht, dass viele Menschen gern an die Geschichte denken."