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Lebensretter im Zwielicht Lebensretter im Zwielicht: Trotz schwerer Vorwürfe arbeiten zwei Notärzte im Saalekreis

Von Michael Bertram 04.09.2019, 05:00
Zwei Notärzte, die auch im Saalekreis Dienst verrichtet haben, mussten sich vor Gericht verantworten. Einer von beiden wurde wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt.
Zwei Notärzte, die auch im Saalekreis Dienst verrichtet haben, mussten sich vor Gericht verantworten. Einer von beiden wurde wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt. dpa

Merseburg - Früher schworen Ärzte den Eid des Hippokrates. Mit diesem erklärten sie, kranken Menschen zu helfen. Den Schwur gibt es heute zwar nicht mehr, doch sollten Ärzte grundlegende Werte vertreten, wie das Wohlergehen der Menschen, das Verbot ihnen zu schaden und Prinzipien der Menschenwürde. Dass es damit nicht immer alle so genau nehmen, zeigt der Fall eines Notarztes, der noch im August im Saalekreis gearbeitet hat. Er war wegen gefährlicher Körperverletzung an seiner Frau verurteilt worden. Damit nicht genug, war ein zweiter Notarzt tätig, dem Schweizer Behörden die Approbation entzogen haben. Die zuständigen Behörden zeigen sich in Bezug auf den Datenschutz auf MZ-Anfrage schmallippig.

Deutscher Arzt in der Schweiz behandelt trotz Verbots Patienten 

Fall 1: Ein deutsche Mediziner war in der Schweiz erfolgreich. In dem Alpenland leitete er als Geschäftsführer ein Ärztezentrum. Nachdem Schweizer Journalisten im Jahr 2011 Betrügereien aufdeckten, nahmen die Behörden Ermittlungen auf. Auch Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz sollen dabei eine Rolle gespielt haben. Ein Jahr später entzogen ihm zwei Kantone die Approbation, zumindest für die Arbeit als selbstständiger Arzt.

Doch der Mediziner soll weitergemacht haben. Obwohl er erklärte, nur die Geschäfte seines Ärztezentrums zu führen, kam raus, dass er trotz des Verbots Patienten behandelt und es bei Abrechnungen nicht so genau genommen haben soll. Wie ein Bezirksgericht der MZ auf Anfrage bestätigte, verurteilte es den Arzt deshalb im Juni wegen Urkundenfälschung, Betrugs und ärztlicher Tätigkeit ohne Bewilligung zu einer Geldstrafe von 60.000 Franken und zwei Jahren Haft - ohne Bewährung. Außerdem muss er die Schweiz für fünf Jahre verlassen.

Arzt arbeitete nach Verurteilung durch KV im Saalekreis

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Und auch, wenn der Approbationsentzug in der Schweiz diesen nicht automatisch auch in Deutschland zur Folge hat, gibt es ein pikantes Detail: Nur einen Monat nach dem Richterspruch soll der Arzt nach MZ-Informationen als Notarzt im Saalekreis tätig gewesen sein. Verantwortlich dafür ist nicht der Landkreis als Träger des Rettungsdienstes, sondern die Kassenärztliche Vereinigung (KV).

Können Kreise und kreisfreie Städte nicht genügend Notärzte für die zu besetzenden Dienste aus den örtlichen Krankenhäusern gewinnen, vermittelt die KV externes Personal. Das können beispielsweise niedergelassene Ärzte sein, die zusätzlich als Notärzte arbeiten und dafür ein Honorar erhalten. Auch der genannte Arzt wurde dem Saalekreis durch die KV vermittelt, die sich mit Verweis auf den Datenschutz nicht konkret äußern will.

Zuständige Behörde verweigert Auskunft über Richtigkeit der Arbeitserlaubnis

„In der Notfallrettung dürfen grundsätzlich nur Ärzte zum Einsatz kommen, die die Qualifikation nachweisen können. Dies ist aktuell die Approbation oder eine uneingeschränkte Berufserlaubnis und die Zusatzbezeichnung Notfallmedizin“, erklärte KV-Sprecher Bernd Franke. Daher sei grundsätzlich davon auszugehen, dass Ärzte, die diese Voraussetzungen erfüllen, eingesetzt werden können.

Eine Approbation und damit die grundsätzliche persönliche Eignung zum Arztberuf kann entzogen werden, wenn der Arzt sich als unzuverlässig oder unwürdig erweist, zum Beispiel in Folge einer strafrechtlichen Verurteilung. Ist dies der Fall, erfolgt die Entziehung durch die Approbationsbehörde. Ein Mindeststrafmaß, das automatisch einen Approbationsentzug zur Folge hat, existiert nicht.

Die Approbationsbehörde gibt der Kassenärztlichen Vereinigung Auskunft darüber, ob eine Approbation besteht. Besteht die Approbation, ist davon auszugehen, dass weiter die persönliche Eignung zum Arztberuf besteht, betont die Kassenärztliche Vereinigung gegenüber der MZ. Ein Fehlverhalten im Dienst selbst sei bei entsprechender Schwere ein Kündigungsgrund, auch wenn noch die Approbation besteht.

„Das Vorliegen dieser Voraussetzungen wird von uns nicht nur einmalig überprüft. Bei bekannt gewordenen Vorgängen überprüfen wir das Vorliegen der Voraussetzungen umgehend aktuell“, hieß es. Die zuständige Approbationsbehörde im konkreten Fall ist die Hamburger Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz, die gegenüber der MZ aber Auskünfte verweigert.

Zweiter Arzt gewalttätig und zwei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt

Anders sieht es offenbar in einem zweiten Fall aus. Ein zweiter Notarzt, der auch im September im Saalekreis für mehrere Notarztdienste eingeteilt ist, droht der Entzug seiner Approbation. Zumindest bestätigte die für ihn zuständige Behörde, die Landesdirektion Sachsen, dass ein approbationsrechtliches Verfahren eingeleitet wurde. Der Grund ist eine Verurteilung im Oktober des vergangenen Jahres. Das Landgericht Leipzig verurteilte den Mann zu zwei Jahren Freiheitsstrafe, ausgesetzt zur Bewährung für vier Jahre.

Die Richter sahen es als erwiesen an, dass der Arzt bereits im Jahr 2016 seine damals schwangere Frau mit dem Tod bedrohte, ihr ein Messer an den Hals hielt und ihr dann damit auf der Stirn eine Schnittwunde zufügte. Aus Angst soll sich die Frau bereits bei einem früheren Fall häuslicher Gewalt, der durch den Arzt verübt worden sein soll, mit verknoteten Bettlaken aus der fünften Etage ihres Wohnhauses in das darunter liegende Stockwerk abgeseilt haben, um sich in Sicherheit zu bringen.

Weibliche Sanitäter beklagten sich über den durch Gewalt aufgefallenen Arzt

Während sich auch zu diesem Fall die KV in Schweigen hüllt, bat die MZ auch die beiden Ärzte um eine Stellungnahme. Der verurteilte Gewalttäter reagierte auf den Fragenkatalog nicht. Im Fall des in der Schweiz verurteilten Arztes bestätigte dessen Anwalt, dass man das Urteil, das derzeit noch vom Schweizer Bezirksgericht verfasst werde und noch nicht rechtskräftig ist, anfechten wolle. Der Landkreis erfuhr derweil nicht erst durch entsprechende MZ-Anfragen von den Verurteilungen beider Ärzte.

Schon vorher waren für den Rettungsdienst Verantwortliche durch Dritte auf die Vergangenheit der Ärzte aufmerksam gemacht worden. Nach MZ-Informationen hätten weibliche Sanitäter sich über den durch Gewalt aufgefallenen Arzt beklagt, weil dieser offensichtlich wenig von ihnen halte und mit ihnen nicht kommuniziere. Inzwischen tauschten Mitarbeiterinnen Schichten mit männlichen Kollegen, sobald er Dienst habe. Der Kreis, dem etwas am reibungslosen Funktionieren des Rettungsdienstes liegen sollte, zeigt sich besorgt. „Wir haben uns zur Prüfung an die KV gewandt“, sagt Kerstin Küpperbusch, Sprecherin der Verwaltung des Saalekreises. Das Ergebnis ist noch offen. (mz)