Landesarchiv Merseburg Landesarchiv Merseburg: Aktenschatz im Regal-Labyrinth
Merseburg/MZ. - "Wir hatten im zurückliegenden Jahr 1 211 Anfragen aus allen Teilen Deutschlands und 430 Anfragen aus dem Ausland. Direkt zu uns kamen 410 in- und fünf ausländische Benutzer", hat der amtierende Leiter Rainer Trommer aufgelistet. Weil die Dauer der jeweiligen Nachforschungen der Besucher am Ort unterschiedlich sei, ergäben sich insgesamt rund 1 450 Benutzertage. Sozusagen stets "volles Haus".
Doch eine Vielzahl der Anfragen werde telefonisch, per Fax und auf dem Postwege erledigt, erläutert der Archivar. Dabei sei die Bandbreite zwischen wissenschaftlichen Forschungen und persönlichen Nachfragen, zu historischen, geografischen, baugeschichtlichen oder rechtlichen Sachverhalten, um nur einige zu nennen ganz enorm. "Der Versuch, sie einmal schriftlich zu fixieren, hat zwei A-4-Seiten nur mit Stichworten gefüllt."Um all diesen Fragen nachgehen zu können, stehen derzeit etwa 700 thematisch geordnete Bestände mit einem Umfang von rund 16 000 laufenden Metern Akten zur Verfügung. Dazu gesellen sich etwa 12 000 Karten. Ergänzt wird dieses Archivgut durch etwa 37 000 Fotos, 200 Tonträger und 325 Rollen Dokumentarfilme sowie Plakate, Kunstdrucke und Videos. Eine Besonderheit bildet die Sammlung von Konsumgütern aus dem ehemaligen Kombinat Leuna. All dies ist der Stand von heute, doch selbst um Archive machen Rationalisierung und Umstrukturierung keinen Bogen.
Die bisherigen Landesarchive Magdeburg mit Außenstelle Quedlinburg, Merseburg und Oranienbaum werden zum Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt mit Sitz Magdeburg zusammengefast. So sieht es der entsprechende Kabinettsbeschluss vom 15. März 2001 vor. Die übrigenStandorte werden als Abteilungen des Landeshauptarchivs weitergeführt. "Und die Neuordnung der Bestände ist bereits in vollem Gange", sagt Trommer. Dabei gehe es zwar auch um Sparmaßnahmen, aber viel gewichtigere Gründe seien wohl entscheidend. Die Bedingungen im Oranienbaumer Schlossund in Wernigerode entsprechen nämlich nach Ansicht von Fachleuten seit langem nicht mehr den Anforderungen an derartige Sammlungen kostbaren Archivgutes.
Deshalb wird ein Neubau in Dessau die Oranienbaumer Archivalien aufnehmen. Hier verbleiben die anhaltischen Bestände. Merseburg wird zu den vorhandenen reichen Beständen aus der Wirtschaft die übrigen des Landes aufnehmen und zudem die Bestände aus dem Bereich der Justiz unter seinem Dach vereinen. Dafür gehen die übrigen Archivalien in Richtung Magdeburg und Oranienbaum beziehungsweise Dessau. Dieses Ringtauschverfahren ist im November letzten Jahres angelaufen, die großen Transporte stünden allerdings noch aus. Anfragen von Interessenten würden zurzeit noch wie bisher bearbeitet, und auch künftig werde sich kaum etwas ändern. Jeder erhalte erschöpfend Auskunft darüber, wo sich gesuchte Akten, Dokumente, Kartenmaterial oder andere Zeitzeugen befinden. In den meisten Fällen würden Kopien versandt.
Einen Großteil der Anfragen, erzählt der amtierende Leiter, erhalte das Merseburger Archiv in jüngster Zeit von ehemaligen Zwangsarbeitern. In den Unterlagen der Chemiewerke, der Kommunen und anderer Betriebe, fänden sich auch - nach intensiver Suche - Hinweise auf Fremdarbeiter in der NS-Zeit. "Wir haben dafür schon eine Art Spezialinventar erarbeitet." Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seien bemüht, diese Anfragen, es seien inzwischen etwa 600 dieser Art eingegangen, so rasch wie möglich zu bearbeiten.