1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Merseburg
  6. >
  7. Krumpa: Krumpa: Ausstellung erinnert an Bombenangriffe von 1944

Krumpa Krumpa: Ausstellung erinnert an Bombenangriffe von 1944

Von DIANA DÜNSCHEL 05.05.2014, 19:10
Matthias Koch, Udo Pfeffer und Stephan Rolf Schilling (v.l.) bereiten die Ausstellung im Bunker vor, der am Sonnabend erstmals wieder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird.
Matthias Koch, Udo Pfeffer und Stephan Rolf Schilling (v.l.) bereiten die Ausstellung im Bunker vor, der am Sonnabend erstmals wieder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird. Vincent Grätsch Lizenz

KRUMPA/MZ - Ein langes Telefongespräch zwischen Albert Speer, Reichsminister für Bewaffnung und Munition, und dem Leiter des Rüstungsamtes, Hans Kehrl, beendete diesen 12. Mai 1944. Vorausgegangen waren tagsüber Angriffe auf die mitteldeutschen Treibstoffwerke auch in Lützkendorf. Ein schlimmer Schlag für Deutschland, der nach Ansicht Kehrls bei konsequenter Fortführung als „Anfang vom Ende“ zu sehen war.

Deutsche Luftwaffe sollte am Boden gehalten werden

Die Alliierten hatten im Zuge ihrer Vorbereitungen auf die Invasion in der Normandie die sogenannte „Treibstoff-Offensive“ eröffnet. Ziel war es, die deutsche Luftwaffe am Boden zu halten. Es sollte sich jedoch herausstellen, dass man die Achillesferse Hitlerdeutschlands getroffen hatte. Ein Jahr später war der Krieg vorbei. Für das Geiseltal und die chemischen Werke der Region bedeutete dies, ein Jahr an der Spitze der Prioritätenliste der alliierten Bomberverbände zu stehen.

So nüchtern trug Matthias Koch die Fakten zusammen - und noch viele mehr. Seit Jahren beschäftigt sich der Müchelner mit dem Thema „Zweiter Weltkrieg im Geiseltal“. Sein Interesse gilt hauptsächlich dem Treibstoffwerk Lützkendorf. Der 43-Jährige veröffentlichte seine Erkenntnisse im Internet unter: „www.dasgeiseltal.de“.

Doch nun gibt es auf seine Initiative hin erstmals eine Ausstellung dazu. Am Sonnabend, 10. Mai, wird sie gerade rechtzeitig zum 70. Jahrestag der Alliierten Treibstoff-Offensive eröffnet. Der Platz dafür könnte nicht besser gewählt sein: Dem Müchelner Kultur- und Heimatverein, dessen Mitglied Matthias Koch ist, wurde von der Stadt Braunsbedra als Eigentümer der alte Luftschutzbunker in Krumpa zur Verfügung gestellt.

Mahnmal „Tallboy-Spitze“

Er gehört zu einem Ensemble von noch drei bestehenden Originalgebäuden des ehemaligen Treibstoffwerks der Wintershall AG/Werk Lützkendorf. Neben dem Bunker sind das das ehemalige Kasino - heute in privater Hand und eine Pension - sowie das frühere Verwaltungsgebäude. 100 Meter weiter befindet sich zudem das Mahnmal „Tallboy-Spitze“, Reste einer Bombe, die auf das Betriebsgelände abgeworfen wurde.

Der Kultur- und Heimatverein Mücheln möchte an die Eröffnung der Alliierten Treibstoff-Offensive erinnern, die sich am 12. Mai 2014 zum 70. Male jährt. Dazu konnte der Verein Michael Foedrowitz als Gastreferent gewinnen, der dieses Thema in mehreren Publikationen veröffentlicht hat und sich damit auskennt.

Zur Person von Michael Foedrowitz: Studium der Zeitgeschichte an der Universität Hannover; 1985 Magisterarbeit in London über den jüdischen Widerstand in den besetzten polnischen Gebieten; Beginn einer Dissertation bezüglich der deutschen Sicherheits- und Ordnungskräfte im „Generalgouvernement“ im Kampf gegen die polnische Widerstandsbewegung; regte 1990 über eine Artikelreihe in dem polnischen Magazin „Wprost“ eine jahrelange kontroverse Diskussion über die Rolle Polens unter deutscher Besatzung an; heute in Berlin wohnhaft; zahlreiche Publikationen in Fach- und populärwissenschaftlichen Schriften und Büchern; Rechercheur, Autor und wissenschaftlicher Berater für zahlreiche Film-Dokumentationen zum Dritten Reich und Zweiten Weltkrieg (BBC, Spiegel TV).

Michael Foedrowitz wird am 10. Mai 2014, 15.30 Uhr, im ehemaligen Kasino des Mineralölwerkes Lützkendorf (heute Pension „El Retiro“) in Krumpa einen Vortrag über dieses hochinteressante Thema halten. Die Bücher von ihm gibt es im Anschluss an den Vortrag käuflich zu erwerben.

Der Bunker wurde nach Recherchen des Heimatfreundes 1944 nach den ersten Bombenangriffen von Zwangsarbeitern gebaut. Der Zahn der Zeit hat natürlich tüchtig an ihm genagt. Richtig deutlich wird das erst, nachdem der starke Bewuchs des Bauwerks zurückgeschnitten wurde. Es gibt Löcher und Risse. Spuren deuten auf einen fehlgeschlagenen Sprengversuch nach dem Krieg hin.

Im Innern ist es feucht. Stalaktiten haben sich gebildet. Wasser dringt ein. Die Decke ist vermutlich nicht mehr dicht. Lüftungsrohre müssen freigelegt werden, um eine Zirkulation zu ermöglichen. Die Beleuchtung reicht nicht aus. Doch das alles hält Matthias Koch und seine Mitstreiter nicht von ihrem ehrgeizigen Vorhaben ab.

Menschen stehen im Mittelpunkt der Ausstellung

Sie wollen den Bunker begehbar machen und auf mehreren Tafeln die geschichtlichen Ereignisse vor Ort dokumentieren. Dabei soll es um die Errichtung, die angewandten Technologien und die Produktion der Treibstoffwerke gehen. Bauwerke, Luftschutz und -abwehr sowie Bombenangriffe sollen eine Rolle spielen. Aber vor allem soll es um die Menschen gehen, um die Belegschaft, die Krumpaer Zivilbevölkerung, die Zwangsarbeiter, aber auch um die alliierten Soldaten, die die Angriffe durchführten.

Dabei bekommt der Müchelner derzeit Hilfe von Stephan Rolf Schilling aus Leipzig und Udo Pfeffer aus der Nähe von Bitterfeld. Das Trio kennt sich von speziellen Geschichtsseiten im Internet. Zudem haben Koch und Schilling am 2013 erschienenen Buch „Flak im Endkampf - Leuna 1945: Die Besetzung des mitteldeutschen Chemiezentrums Schkopau-Merseburg-Leuna durch das V. US Corps im April 1945“ mitgearbeitet.

„Wir können erst seit wenigen Wochen in den Bunker hinein. Wir können erst wenig von dem umsetzen, was wir uns vorgenommen haben“, bittet Matthias Koch die ersten Besucher um Verständnis, die am Sonnabend, 10. Mai, ab 14 Uhr neben einem Vortrag zum ersten Mal einen Blick ins Bauwerk und auf die ersten Dokumentations-Tafeln werfen können.

Künftig lädt der Müchelner Kultur- und Heimatverein dann ihm zufolge an jedem zweiten und vierten Sonntag im Monat von 14 bis 17 Uhr zum Rundgang vor Ort ein. Dabei hofft der 43-Jährige, mit Zeitzeugen ins Gespräch zu kommen, damit ihre Erinnerungen an jene Zeit aufgezeichnet werden und so für die Nachwelt erhalten bleiben. „Wer Fotos oder Dokumente besitzt, möge sie bitte mitbringen. Wir könnten sie kopieren oder scannen und dann auswerten und verwenden“, bittet er um Mithilfe.

Der Luftschutzbunker in Krumpa ist eins von drei noch bestehenden Originalgebäuden des ehemaligen Treibstoffwerks der Wintershall AG/Werk Lützkendorf.
Der Luftschutzbunker in Krumpa ist eins von drei noch bestehenden Originalgebäuden des ehemaligen Treibstoffwerks der Wintershall AG/Werk Lützkendorf.
Vincent Grätsch Lizenz
Reste einer Bombe, die auf das Betriebsgelände geworfen wurde, sind heute ein Denkmal.
Reste einer Bombe, die auf das Betriebsgelände geworfen wurde, sind heute ein Denkmal.
Peter Wölk/Archiv Lizenz