Kampf gegen Schwarzarbeit Kampf gegen Schwarzarbeit: Zoll erwischt schwarze Schafe im Saalekreis

Saalekreis - Als der Motor verstummt, geht Annica Wieblitz zügigen Schrittes auf den Lkw zu. Die Fahrertür öffnet sich: „Hauptzollamt Magdeburg, wir führen eine Kontrolle durch“, ruft sie dem Fahrer entgegen. Alexander Nieme zögert nicht lange und holt seine rote Mappe aus dem Führerhaus. Er zückt ein Dokument nach dem anderen, bis hin zum Arbeitsvertrag und dem Lohnzettel hat er alles dabei. Da staunt selbst die Zollbeamtin nicht schlecht: „Das ist vorbildlich und nicht die Regel.“
Ihr Gefühl sagt ihr, dass in diesem Fall nicht damit zu rechnen ist, dass etwas nicht in Ordnung sei - genau wird sie es jedoch erst in ein paar Tagen wissen.
Schwarzarbeit, Scheinselbstständigkeit: Zoll kontrolliert die Transportbranche im südlichen Saalekreis
Mit 22 Beamten der Finanzkontrolle Schwarzarbeit, einer Abteilung des Zolls, ist Wieblitz an diesem Tag an mehreren Punkten im südlichen Saalekreis unterwegs. Bei einer sogenannten verdachtsunabhängigen Kontrolle soll die Transportbranche ins Visier genommen werden. Dabei werden Mindestlohn, illegale Beschäftigung, Sozialversicherungsbetrug und Scheinselbstständigkeit der Fahrer kontrolliert. Auf öffentlichen Parkplätzen machen die Beamten Halt.
Mindestens zu zweit treten die Beamten an die Laster heran. Auch wenn der Mindestlohn nur für deutsche Arbeitnehmer gilt, werden auch ausländische Fahrer unter die Lupe genommen. Wenn sie dauerhaft in Deutschland arbeiten, müssen auch sie Sozialleistungen abführen.
Was der Zoll bei den Lkw-Fahrern kontrolliert - und wann sie tiefer graben
Ladung und Zustand der Maschine interessieren bei dieser Kontrolle nicht, vielmehr werden persönliche Daten, der Arbeitgeber, die Art der Beschäftigung, aber auch die Arbeitszeit und die Vergütung der Fahrer aufgenommen. Oftmals vertrauen die Beamten auf ihr Bauchgefühl. Die Kontrolle ist nicht viel mehr als ein erster Eindruck.
Es passiert den Fahrern erst einmal nichts, alle dürfen nach der kurzen Befragung weiterfahren. „Die eigentliche Arbeit findet später im Büro statt, wenn wir verschiedene Datenbanken abfragen, um die Informationen abzugleichen“, sagt Wieblitz. Wenn alles in Ordnung sei, werden die Bögen vernichtet. In anderen Fällen fangen die Beamten an, tiefer zu graben.
Lkw-Fahrer kritisiert Kollegen: Manche schauen während der Fahrt noch Filme
Alexander Nieme ist bei einem mittelständischen Transportunternehmen aus Nordrhein-Westfalen angestellt und begrüßt die Arbeit der Beamten, auch wenn sie ihm ein paar Minuten seines engen Zeitplans rauben: „Ich finde die Kontrollen gut und wichtig. Allerdings sind es zu wenige und man sollte auch mal schauen, was einige Lkw-Fahrer auf der Autobahn machen“, so Nieme. Einige würden nebenbei noch Filme schauen, andere konzentrieren sich kaum noch auf den Verkehr.
Kritik wegen zu wenigen Kontrollen kam dagegen im Sommer aus einer anderen Branche: Von „Kontrollen auf Lücke“ hat im Juni die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG Bau) gesprochen. Sie kritisierte, dass Bauunternehmer immer seltener mit „Besuch vom Zoll“ rechnen müssten. Allein sechs Prozent weniger Baustellen wurden demnach 2016 kontrolliert.
Annica Wieblitz kennt diese Information und will das so nicht stehen lassen. „2015 hat sich der Zoll neu ausgerichtet, vor allem wegen des Mindestlohns“, sagt sie. Insgesamt würden jährlich vier große Kontrollen bundesweit und zwei regional stattfinden. Das seien feste Termine, zu denen die tägliche Arbeit hinzukäme.
Kritik am Zoll: Auch wenn der Zoll nicht mehr so sichtbar ist, ist er trotzdem aktiv
„Wir konzentrieren uns darauf, tiefer zu graben und organisierte Strukturen aufzubrechen.“ Bei den stichprobenartigen Kontrollen treffe es die Arbeitnehmer, man wolle jedoch an die Strukturen im Hintergrund gelangen. Daher werden laut Wieblitz vermehrt Ermittlungsverfahren geführt, in deren Rahmen risikoorientierte Kontrollen durchgeführt werden.
Da würden dann Unternehmen durchsucht, Dokumente kartonweise herausgetragen und vom Zoll überprüft. Wieblitz ist bewusst, dass der Eindruck entsteht, dass der Zoll nicht mehr so aktiv ist. „Diese Ermittlungsverfahren sind langwierig und wenig sichtbar.“ Doch seit dem Frühjahr seien die ersten Ergebnisse der Umstrukturierung zu erkennen: Mehr Ermittlungsverfahren seien jetzt durchgeführt wurden und erfolgreich.
Zollkontrollen in Sachen-Anhalt: 92 Verstöße gegen Mindestlohngesetz aufgedeckt
„Es gibt zu viele schwarze Schafe“, sagt Henk Wagenaar, während Wieblitz den Fragebogen Punkt für Punkt vervollständigt. Der Holländer transportiert Transformatoren und Generatoren und kommt gerade aus seiner Heimat. Als Unternehmer arbeite er jedoch sauber, sagt er, während er mit seinen traditionellen Klompen (holländische Holzschuhe) aus dem Laster klettert. Auch er wünscht sich mehr Kontrollen auf der Autobahn. Das Manipulieren von Fahrtenschreibern sei gefährlich.
Die Kontrolle an diesem Tag im Saalekreis ist eine der vier großen bundesweiten Aktionen. Das Hauptzollamt Magdeburg mit den Standorten Magdeburg, Halle, Dessau und Sangerhausen beteiligt sich mit 100 Einsatzkräften an der Schwerpunktprüfung im Speditions-, Transport- und damit verbundenen Logistikgewerbe.
An 30 Kontrollpunkten werden rund 960 Personen überprüft. Hierbei werden in 92 Fällen Anhaltspunkte für Verstöße gegen das Mindestlohngesetz festgestellt. (mz)
