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Insolvenz Insolvenz: «Nein, man will es nicht wahrhaben»

Von Dirk Schariott 21.03.2003, 16:50

Beuna/MZ. - Volker Schäfer hat ein Weilchen gebraucht, um darüber zu reden. In einer Zeit, in der Firmenzusammenbrüche zwar zur Normalität gehören, will man das ganz konkrete Schicksal möglichst dennoch verdrängen. Was eigentlich unmöglich ist. "Als ob das Wort Insolvenz auf meiner Stirn steht, so kam ich mir manchmal vor. Angestarrt, gescheitert." Schäfer muss damit leben, er kann damit leben. Aber schwer ist es allemal.

Im Mai 1990 wurde der Baustoffhandel Gärtner & Schäfer in das Handelsregister eingetragen. Damals noch in Frankleben. Zwei Leute vom Bau wollten den Schritt in die Selbstständigkeit wagen. Rolf Gärtner brachte das Grundstück mit ein, Volker Schäfer die Erfahrungen und das Fachwissen. Der Laden brummte, wie man so salopp sagt. Mit etwa 40 Beschäftigten kam das Unternehmen innerhalb kurzer Zeit auf einen jährlichen Umsatz von 27 Millionen Mark. Frankleben wurde da ziemlich schnell ziemlich eng. "Wir wollten noch mehr Service bieten, Fachberatung, bessere Logistik. Da reichte der Platz einfach nicht mehr."

So investierte Schäfer etwa sechs Millionen Mark in den Neubau Beuna. Um heute zu sagen: "Vielleicht war das ein bisschen zu groß bemessen. Sicher sogar, wenn man die jetzige Situation sieht."

Aber hinterher ist man bekanntlich immer schlauer. Dabei ging das Unternehmen eigentlich noch ziemlich realistisch an den Neubau ran. Die erreichten Umsatzgrößen wurden zur Grundlage genommen, fiktive und ja durchaus mögliche Steigerungen kamen erst gar nicht in die Kalkulation. Verkalkuliert hat man sich damit dennoch. Als das neue Betriebsgelände im Mai 1999 fertig war, zeigte der Daumen schon nach unten. Von Bauboom konnte keine Rede mehr sein. "Umsätze brachen weg, die Rahmenbedingungen verschlechterten sich. Wir aber hatten den gleichen Kapitaldienst zu bringen, mussten gar steigende Betriebskosten in Kauf nehmen."

Schäfers Aussage lässt sich am überzeugendsten an diesem Zahlenvergleich deutlich machen: Von den zu Grunde gelegten 27 Millionen Mark Umsatz ging es stetig abwärts bis auf etwa 16 Millionen. Weniger Geld in der Kasse, aber zugleich finanzielle Mehraufwendungen. Ein bisschen wie die Quadratur des Kreises. Unlösbar also.

Man wollte in Beuna dennoch eine Lösung. Zwölf Beschäftigte wurden entlassen, man legte Fahrzeuge still, überprüfte Versicherungsverträge nach Notwendigkeiten, nahm billigere Transportautos, verhandelte intensiver mit den Lieferanten. Die Lohnkosten gingen um zehn Prozent runter, die Kosten insgesamt um ein Viertel. Viel, aber eben auch viel zu wenig in Zeiten wirtschaftlicher Flaute. Zudem blieben immer mehr Rechnungen unbezahlt, auch von durchaus namhaften Baubetrieben. Sechsstellige Summen kamen da locker zusammen. Dennoch wurde weiter an die Schuldner ausgeliefert.

"Ein Fehler, sicher. Irgendwie war ich da wohl zu gutgläubig. Mal kam ein bisschen Geld für die offene Rechnung rein, da lässt man sich eben wieder breitschlagen. Man kennt sich ja schließlich, hofft, dass es dem Kunden bald wieder besser geht. Du willst ihn ja auch nicht verlieren."

Zum Schluss war alles verloren. Um den Jahreswechsel herum verschärfte sich die Situation immer mehr. Die Bank, über die die Kooperation von deutschen Baustoffhändlern mit den Produzenten abrechnet, wollte Geld für geliefertes Material. Ein an sich normaler Geschäftsvorgang. Da aber kein Geld in der Kasse war, konnte Schäfer nicht zahlen.

Worauf wiederum bei jener Bank die Alarmglocken läuteten. Die Produzenten erhielten quasi Lieferverbot für Gärtner & Schäfer. Innerhalb von zwei Wochen entschied sich das Schicksal des Unternehmens. Insolvenz. "Sicher hätten wir noch mal einen Kredit aufnehmen können. Wir haben es nicht getan, was auch nicht alle verstanden. Aber hätte uns das wirklich was gebracht?" Die Frage steht für Momente im Raum. "Wir hätten vielleicht noch ein paar Monate länger gelebt. Überlebt aber sicher nicht." Der 45-Jährige steht zu dieser Entscheidung.

Die nichtbezahlte Ware wurde gesichert und innerhalb weniger Tage der eigentliche Baumarkt leer geräumt und an die Leipziger Firma Rothkegel, auch ein Baufachhandel, vermietet. Mit dem Geld werden die Schulden bedient, ein Teil zumindest. Von den zuletzt 28 Beschäftigten haben 20 hier wieder Arbeit gefunden, mit Schäfer als Verkaufsleiter.

Gärtner & Schäfer gewissermaßen in vertrauter Gegend, mit bekanntem Sortiment, dem alten Personal, aber eben unter dem Namen Rothkegel mit neuer Flagge. "Die letzten Monate möchte ich nicht noch einmal erleben müssen. Nein, wirklich nicht. Man kennt das Unabwendbare, will es dennoch nicht glauben. Einiges hätte ich gewiss heute anders gemacht. Mit Sicherheit. Die Frage aber ist, ob das Ergebnis deshalb auch ein anderes gewesen wäre?"

Vielleicht ja, vielleicht auch nein.