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Initiative im Saalekreis Initiative im Saalekreis: Schwer verständliches Behördendeutsch

Von Anne Schneemelcher 31.07.2015, 08:34
Ein Stempel mit der Aufschrift "Bürokratie" liegt auf Papieren. Behördendeutsch ist oft schwer zu verstehen.
Ein Stempel mit der Aufschrift "Bürokratie" liegt auf Papieren. Behördendeutsch ist oft schwer zu verstehen. dpa Lizenz

Merseburg - Wer keine Arbeit hat, macht keinen Urlaub. Er kann nur „ortsabwesend“ sein. Das muss er dem Jobcenter melden, unter Angabe seiner „Kunden- oder Bedarfsgemeinschaftsnummer“. Und wer eine Regenrinne an sein Haus bauen möchte, muss einen Antrag für eine „Grundstücksentwässerungsanlage“ einreichen. Deutsche Sprache schwere Sprache, heißt es so schön. Behörden und Ämter drücken vieles kompliziert und umständlich aus - auch im Saalekreis.

Rechtliche Grauzonen vermeiden

Nicht etwa, um die Empfänger zu ärgern, sondern, um sich rechtlich abzusichern, erklärt Kreissprecherin Kerstin Küpperbusch. Schuld am Behördendeutsch sind eher diejenigen, die Gesetzestexte verfassen. „Vereinfachen wir unsere Anliegen, bewegen wir uns schnell in einer rechtlichen Grauzone“, sagt sie. Denn damit alles juristisch und verwaltungstechnisch korrekt sei, könne man die Belange nicht so einfach in Alltagssprache formulieren. Flotte Sprüche sind meist fehl am Platz.

Problematisch sei zudem, dass man es im Saalekreis mit vielen Menschen mit Verständigungsproblemen zu tun habe. „Wir setzen dann auf Dolmetscher, vor allem für Belange auf Spanisch benötigen wir sie oft.“ Die Übersetzer kennen sich mit dem Gesetz aus, sie können helfen und erklären, so die Sprecherin. Mehr Sprachhürden haben die Mitarbeiter des Jobcenters und der Arbeitsagentur zu bewältigen. Denn für den Normalsterblichen ist ein Arbeitslosengeld-II–Antrag gewiss keine Urlaubslektüre. Grund dafür ist das „SGB II“ – das Zweite Sozialgesetzbuch, in welchem die Grundsicherung für Arbeitssuchende geregelt ist.

Doch die Gesetzestexte lassen sich auch hier nicht immer in einfacher Sprache aufdröseln, bestätigt Mirko Heyer, Sprecher des Jobcenters. Dabei bleibt es meist nicht beim guten Ton: „Es ist nicht leicht, den Sachverhalt oder die rechtliche Situation richtig wiederzugeben und das verständlich und freundlich zu formulieren.“ Aber das Problem ist bekannt.

Hatten Sie auch schon Kontakt mit einem „Fahrradangebotsstreifen“ oder Probleme wegen einer „fehlenden Glaubhaftmachung“? Welche Erfahrungen - negativer wie positiver Art - haben Sie bereits mit behördlichen Briefen und Bescheiden gemacht? Und wie haben Sie sich geholfen, als Sie nicht so recht verstanden haben, was man von Ihnen eigentlich wollte?

Die MZ ist an Ihren Geschichten zum Behördendeutsch interessiert. Schreiben Sie uns ihre Erlebnisse und nennen Sie Beispiele für unverständliche Formulierungen.

Sollten Sie eigene Beispiele für unverständliches Behördendeutsch haben, dann schicken Sie sie uns doch mit dem Betreff „Behördendeutsch“ per E-Mail: [email protected]

Deswegen stehen für Fragen Mitarbeiter an Service-Hotlines zur Verfügung, die beim „Übersetzen“ helfen. Erklärungsbögen werden bei Anträgen mitgeschickt und im Internet steht zudem ein Sprachleitfaden zur Verfügung. Die Mitarbeiter sind angehalten, verständlich zu schreiben, getreu dem Grundsatz: So fachlich wie nötig – so bürgernah wie möglich. Vor allem Fremdwörter und Abkürzungen sollen vermieden werden, sagt Heyer.

Die Bundesagentur für Arbeit geht sogar so weit, dass sie im Internet einen Glossar für „Leichte Sprache“ veröffentlicht hat. Diese soll Menschen, die eine geringe Sprachkompetenz aufweisen, das Verstehen von Texten oder Begriffen erleichtern. Kommunikationstraining erhalten hingegen die Mitarbeiter des Carl-von-Basedow-Klinikums, wie Sprecherin Bettina Lebek erzählt. Formulare und Aufklärungsbögen für Patienten seien einfach formuliert. „Zur Verbesserung der Kommunikation mit ausländischen Patienten sind wir dabei, ein Register aufzubauen, in dem die Fremdsprachenfähigkeiten unserer Mitarbeiter verzeichnet sind“, sagt sie.

Ampeln in Lichtzeichensignalanlagen und Bäume in Raumgrün verwandelt gern einmal die Polizei, bei der man auch auf kryptische Abkürzungen setzt, um intern schneller kommunizieren zu können. Beispielsweise wenn sich SEK oder der USBV-Trupp ankündigen. Letzteres meint, dass Spezialkräfte aus Magdeburg an einen Ort gerufen werden, an dem eine Bombe gefunden wurde. Denn USBV heißt nichts anderes als „Unkonventionelle Spreng- und Brandvorrichtung“.

Von einachsigen Dreiseitenkippern

Abkürzungen sind also durchaus praktisch, wie sicher auch jene für die Querstreifen auf der Autobahn, die zur Abstandsmessung dienen, die im Amtsdeutsch offiziell „Abstandseinhaltungserfassungsvorrichtung“ heißen. Fraglich bleibt jedoch, wieso aus einer Schubkarre ein „einachsiger Dreiseitenkipper“ wird, und aus dem Blinker ein „Fahrtrichtungsanzeiger“. (mz)