Hölzer aus der Region Hölzer aus der Region: Wie ein Müchelner Tischlermeister mit dem Naturwandel umgeht

Mücheln - Dicke Baumstämme stapeln sich vor der schlichten Werkhalle aus Beton am Müchelner Ortsrand. Fichten, Lärchen, manchmal Buche. Innen singt sich gerade Falco „Out of the Dark“, die Halle ist vollgestellt mit Holz in allen Variationen. Metallkisten mit Holzscheiten stehen teils vierstöckig in Regalen, Bretter in verschiedenen Längen und Stärken liegen auf Stapeln. Auf einer Lichtung lehnt sich Thomas Seemann mit einem Schleifgerät über eine Holzplatte, die sich bei näherem Hinsehen als Gartentür entpuppt.
Tischler aus Mücheln hat eine sehr breite Produktpalette
Seemann ist der Besitzer, Chef und derzeit auch einziger Mitarbeiter der „Tischlerei und Sägewerk Seemann“. Er habe einen Kollegen, aber der sei gerade in Elternzeit berichtet, der 51-Jährige. Vor sechs Jahren hat er sich, nach dem er den Meister als Tischler nachgeholt hatte, mit seinem Betrieb in dem weitläufigen ehemaligen Getreidelager selbstständig gemacht. Die Halle sei gemietet, berichtet er und eigentlich noch zu klein. Er bräuchte mehr Platz, um all die Vor- und Zwischenprodukte zu lagern.
Das liegt auch daran, dass Seemann eine sehr breite Produktpalette anbietet: Von Wald bis zum Möbelstück mache er eigentlich alles, sagt der Inhaber. Er produziert aus den Stämmen Baumaterialien für Handwerker und Privatleute, verkauft Brennholz, fertigt als Tischler Auftragsarbeiten und baut als Partner eines Baumarkts auch noch Laminat beim Kunden ein. „Ich mache fast jeden Tag etwas anderes“, sagt der Unternehmer.
Verarbeitung mit Bäumen aus der Region
Die Gartentür, an der er gerade arbeitet, ist ein Beispiel für seine Tischlereisparte. „Da mache ich hauptsächlich Haustüren aus Holz.“ Wenn es etwas nicht von der Stange gibt, werde er beauftragt, erklärt der Tischler. Er verarbeite vor allem Fichte und Lärche. Nadelhölzer seien günstiger. „Die Bäume kommen entweder von Privatleuten oder aus dem Staatsforst.“ Vor allem aber aus der Region. Der Baum, aus dem er nun die Gartentür gearbeitet hat, habe etwa am Wasserturm in Freyburg gestanden. Viel Stämmen kämen aus dem Ziegelrodaer Forst.
Wenn er sein Holz bei den öffentlichen Forstbetrieben kaufe, bekomme er von diesen die GPS-Daten des Polters geschickt. Dann könne er sich das Holz vor Ort anschauen und, wenn die Qualität stimmt, kaufen. Erst wenn er den Preis bezahlt habe, dürfe die Spedition in den Wald, um das Holz abzuholen, erzählt Seemann, wie er an seinen Rohstoff kommt.
Umdenken bei der Arbeit aufgrund der Borkenkäfer-Plage
Den gibt es derzeit auf dem Markt reichlich. Die Trockenheit hat vielen Bäumen zugesetzt, viele werden gefällt. Doch oft reicht die Qualität nicht mehr, um das Holz zum Bauen zu verwenden: „Das Problem ist, dass wenn etwa eine Fichte abstirbt, der Borkenkäfer kommt. Dann hast du Fraßgänge im Holz. Das kannst du nicht mehr als Bauholz verkaufen. Wer will schon einen Dachstuhl bauen, in dem schon der Wurm drin ist.“
Ähnliches gelte für die Buche, erklärt der Holzfachmann: „Wenn die abgestorben ist, stockt die sehr schnell, ein Pilz kommt rein, dadurch verliert das Holz die Festigkeit, die man zum Beispiel für Treppen braucht.“ Er zeigt eine Buchenscheibe, an der die dunklen Verfärbungen deutlich zu sehen sind.
Stämme mit guter Qualität kommen derweil auf das Sägegatter
Was sich in Seemans Betrieb nicht mehr als Baumaterial eignet, kommt jedoch nicht auf den Müll, sondern wird zu Brennholz verarbeitet. Dafür hat er eigens eine Maschine angeschafft, die Stämme auf die gewünschte Scheitlänge zerteilt und dann in die Metallkörbe abfüllt. 250 bis 300 Kilo wiege einer, sagt der Inhaber. Wie auch die Stämme lasse sich das ohne Gabelstapler nicht bewegen, deshalb liefert er das Brennholz meist selbst an die Kunden aus. Gerade jetzt im September sei die Nachfrage groß.
Die Stämme mit guter Qualität kommen derweil auf das Sägegatter, einen grellorangen Apparat, der im hinteren Teil der Halle steht. An deren Stirnseite findet sich eine Reihe Bedienhebel, die an die Register einer Orgel erinnern. Mit ihnen kann Seemann etwa die Hydraulik steuern, die die Stämme in die richtige Position bringt und die Höhe des quereingespannten Sägeblattes einstellen, dass sich angetrieben von einem Elektromotor waagerecht durch die Lärche arbeitet.
Für die Verarbeitung mit der Säge sei es besser, wenn das Holz frisch ist
Über einen dicken Plasteschlauch der sich in Kurven von der Decke herab windet, werden die Späne abgesaugt. Sie presst Seemann zu Briketts für den Ofen: „Bei mir geht vom Holz fast nichts verloren.“ Die fertig zugeschnittenen Bretter kann Seemann bei Bedarf in einen mehrere Meter langen Metallapparat geben.
„Das ist die Trockenkammer.“ Für die Verarbeitung mit der Säge sei es besser, wenn das Holz frisch ist, weil trockenes Holz schneller reiße. Das frische habe allerdings einen Wasseranteil von 40 bis 50 Prozent. „Für die Verarbeitung im Innenbereich dürfen es aber nur acht Prozent sein, weil das Holz beim Trocknen schrumpft.“
Corona steigert Nachfrage
Die Gartentür hat ihre finale Größe bereits erreicht. Einige Stunden brauche er für so einen Auftrag, sagt der Tischler. An Aufträgen mangelt es ihm derzeit in seinen Geschäftsfeldern nicht. Durch Corona sei die Nachfrage sogar noch gestiegen:
„Das ist wie in den Baumärkten, die überrannt wurden. Die Leute haben durch Corona viel Zeit, um zum Beispiel einen Gartenzaun zu bauen.“ Entsprechend groß sei die Nachfrage nach Lärchenbrettern. Die seien wegen ihrer Robustheit das beste Material für den Außenbereich. (mz)

