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Hochschule Hochschule: Rektor schlägt Alarm

Von Frank Czerwonn 15.07.2012, 17:41

Merseburg/MZ. - Eine Stärkung der Ausbildung in den Natur- und Ingenieurwissenschaften hat der Rektor der Hochschule Merseburg, Prof. Jörg Kirbs, gefordert. "Die geringe Wertschätzung der Leistungen von Naturwissenschaftlern in unserer Gesellschaft ist ein großes Problem", sagte er am Samstag in Schkopau.

Dort starteten die Hochschule, die Dow Olefinverbund GmbH und das Georg-Cantor-Gymnasium Halle den fünften Jahrgang der modularen Ausbildung besonders leistungsstarker Schüler in Mathe, Physik und Chemie. Zugleich attackierte Kirbs das Kultusministerium für dessen Pläne, die Anforderungen beim Abitur herunterzuschrauben.

"Es ist etwas faul in unserer Gesellschaft, wenn fast jeder einen Mark Medlock als Superstar bezeichnet, aber kaum jemand die beiden deutschen Nobelpreisträger in Physik und Chemie kennt", sagte der Rektor. Er beklagte das niedrige mathematische Niveau vieler Abiturienten, die schon beim Lösen von quadratischen Gleichungen scheitern würden.

Missverhältnis bei Bewerberzahlen

Die Folgen seien fatal und beispielsweise an der Hochschule Merseburg offensichtlich: Bei den NC-Studiengängen im sozialen, kulturellen oder medialen Bereich kämen 15 Bewerber auf eine Stelle. Bei den Natur- und Ingenieurwissenschaften dagegen wären es nur 0,5 Bewerber. "Das heißt, dass wir quasi jeden nehmen müssen", so Kirbs. Angesichts der hohen Anforderungen führe das aber wiederum zu einer hohen Abbrecherquote.

Das könne sich nur ändern, wenn in der Gesellschaft ein Umdenken einsetze. "Warum gibt es TV-Serien über Ärzte, Anwälte oder Journalisten - aber nicht über Naturwissenschaftler?", nennt er ein simples Beispiel. Doch der Rektor hat auch konkrete Vorschläge an die Politik: "Der Unsinn des Abwählens von Naturwissenschaften in der 11. und 12. Klasse muss aufhören."

Und er fordert die Vereinheitlichung des Bildungssystems. "Der Förderalismus ist Gift für das Bildungssystem. Er erzeugt nicht Wettbewerb, sondern Unsicherheit." Zu den Plänen in Magdeburg, die Abi-Anforderungen zu senken, damit der Notenschnitt steige, falle ihm nur ein: "Denn sie wissen nicht,was sie tun!"

Quasi als Teil der Gegenbewegung lobte Kirbs das gemeinsame Projekt mit Dow und dem Cantor-Gymnasium, das seit fünf Jahren erfolgreich sei. Hier erhalten besonders leistungsstarke Schüler des halleschen Spezialgymnasiums eine zusätzliche Ausbildung. Der 19-jährige Paul Keydel aus Teutschenthal ist einer von denen, die von diesem ungewöhnlichen Projekt profitiert haben.

Inzwischen studiert der 19-Jährige an der Bergakademie Freiberg angewandte Mathematik. "Es war zwar Stress, aber es hat richtig Spaß gemacht", blickte er zurück. Er habe schon mal Hochschulluft schnuppern können und sei gezwungen gewesen, Stoff alleine durchzuarbeiten. "So lernt man das Selbststudium." Im Studium sei ihm das dann viel leichter gefallen. "Und dass ich wegen der Kurse in Merseburg ab und an die letzte Stunde Deutsch am Cantor ausfallen lassen konnte, war auch cool." Er könne nur jedem Schüler raten: "Wenn du die Chance hast - mach es!"

Mathe, Musik und Turnen

Bei Sophie Prokop stieß er damit auf offene Ohren. Die 16-Jährige gehört zu den Teilnehmern am neuen Physik / Mathe-Kurs. "Ich hoffe, dass es Spaß macht und man eine Ahnung bekommt, was einen beim Studium erwartet", meint sie. Und Mathe sei einfach toll, weil es so logisch aufgebaut ist. Doch interessiert sich die Schülerin nicht nur für Naturwissenschaften.

Sie hat auch Klavier- und Saxophonunterricht, spielt in der Schul- und in einer Bigband, macht Geräteturnen. Wo bleibt da noch Zeit für Freunde, Kino oder Shoppen? "Ach, das geht schon", meint sie lächelnd. Dienstagnachmittag und am Wochenende ist ja frei."