Gesellschaft in Merseburg Gesellschaft in Merseburg: Mehr Zwangsräumungen

MERSEBURG/MZ - Das Haus in der Nulandtstraße 5 ist für manchen Merseburger die letzte Zufluchtsmöglichkeit. Hier landet man, wenn man keine eigene Wohnung mehr hat bzw. wenn man Glück hat und von dieser Übernachtungsmöglichkeit erfährt.
„Im Augenblick haben wir fünf Obdachlose, die unser Angebot nutzen“, sagt Marcus Skowronek vom Betreuungs- und Integrationshilfeverein (BIH). „Aber ich denke, dass jetzt an den Feiertagen nicht alle zum Übernachten kommen.“ Überhaupt seien es derzeit nicht übermäßig viele Menschen, die - zumindest was bekannt ist - in der Domstadt auf der Straße stehen. „Im Januar waren es zum Beispiel zehn, im Juli zwölf Obdachlose, die zeitweilig hier gewohnt haben.“ Im März seien es zum Beispiel nur zwei gewesen. Mit der Jahreszeit habe das gar nicht so viel zu tun.
Häufig handelt es sich bei den Obdachlosen um Menschen, die ihre Wohnung verloren haben, weil sie die Miete nicht mehr bezahlt haben. „Ich kenne einen Mann, der konnte mehrere Monate seine Miete nicht überweisen und stand dann irgendwann hier vor der Tür. Es ist ihm sehr schwer gefallen, diesen Kontakt zu suchen, aber er wusste nicht wohin“, so der Vereinschef.
Die Zahl steigt
Wenn irgendwo in Merseburg eine Zwangsräumung droht, wird der Verein durch das Ordnungsamt benachrichtigt, welches wiederum vom zuständigen Gerichtsvollzieher benachrichtigt wird. „Wir versuchen dann, Kontakt zu den Betroffenen aufzunehmen, bieten Hilfe an und versuchen die Räumung abzuwenden“, so Skowronek. Der Verein organisiere dann, dass die Wohnung leergeräumt wird. Damit werden den Betroffenen zumindest die 3.000 bis 4.000 Euro für die Zwangsräumung gespart. Doch nicht alle Betroffenen nähmen das Hilfsangebot an, sondern verlassen die Wohnung zum Beispiel einfach einen Tag vor dem angekündigten Räumungstermin.
Die Zahl der Obdachlosen ist aus Sicht des Vereins 2013 gestiegen, ebenso wie die Zahl der Zwangsräumungen. Im Jahr 2013 hat es bisher 55 Zwangsräumungen in der Domstadt gegeben. Das betraf insgesamt 72 Personen. 2012 mussten etwa 20 Wohnungen zwangsgeräumt werden. Für Januar 2014 sind bereits sieben Zwangsräumungen avisiert. „Besonders schlimm finde ich es, wenn Kinder im Spiel sind“, sagt der BIH-Chef. „Wir versuchen allerdings, Familien nicht im Haus der Wohnhilfe, sondern anderweitig unterzubringen.“
Ziel des Vereins sei es, Wohnungslose so schnell wie möglich wieder zu integrieren, so dass ihr Aufenthalt in der Nulandtstraße 5 nicht übermäßig lange dauert. Allerdings haben viele von ihnen nicht nur ein Alkohol- oder Drogenproblem. Oftmals bekommen sie nicht mal Sozialhilfe oder Hartz IV, weil sie nichts beantragt haben. „Manche haben ihren Personalausweis verloren. Dann helfen wir, dass sie irgendwie an eine Geburtsurkunde kommen und helfen dann auch beim Ausfüllen der Anträge für den Eigenbetrieb“, so Skowronek.
In den letzten Jahren hat die Zahl junger Obdachloser zugenommen. Das seien junge Leuten, die zum Beispiel zu Hause rausgeflogen sind. Andere haben eine Zeit bei Freunden oder Kumpels gelebt, dann gibt es Streit und sie wissen nicht mehr wohin.
Auf das Haus der Wohnhilfe weist zum Beispiel ein Aushang am Bahnhof hin, aber auch Polizei und Eigenbetrieb sagen Betroffenen, dass sie sich dorthin wenden können.