Fraunhofer in Schkopau Fraunhofer in Schkopau: Der Kunststoff der Zukunft

Schkopau - Michael Bartke wirft einen prüfenden Blick auf die tonnenschwere Maschine vor sich. Mehrere weiße Fäden aus Kunststoff laufen aus unterschiedlichen Richtungen an ihm vorbei. Sie münden in einer Walze. Dort werden sie gebündelt und zu Platten gepresst. Der Clou: Die Fäden sind mit Glasfasern verstärkt. Aus ihnen lassen sich robuste und zugleich extrem leichte Bauteile herstellen. „Wir betreiben hier anwendungsorientierte Forschung“, sagt Bartke.
Seit mehreren Jahren leitet er den Forschungsbereich des Fraunhofer-Pilotanlagenzentrums für Polymersynthese und -verarbeitung (PAZ). Hinter dem sperrigen Namen verbirgt sich eine hochmoderne Wissenschaftsstätte inmitten des mitteldeutschen Chemiedreiecks. Bis 2018 soll das PAZ weiter wachsen - für 15 Millionen Euro.
Die Erfolgsgeschichte des Zentrums beginnt vor zehn Jahren. Für 19 Millionen Euro wurde das PAZ im Jahr 2005 im Value-Park, dem Industriepark der Dow Olefinverbund GmbH, in Schkopau gegründet. Rund 13 Mitarbeiter bauten es auf. Heute sind 31 Angestellte darin beschäftigt. In rund drei Jahren sollen es 50 sein.
Das Ziel des PAZ war und ist, neue Technologien zur Herstellung und Verarbeitung von Kunststoffen für andere Unternehmen zu entwickeln. Die Auftraggeber sind vor allem kleinere Firmen, die sich keine eigene Forschungsabteilung leisten könnten, wie Bartke erklärt. Vor allem in der Automobilbranche, aber auch im Fahrrad- oder Flugzeugbau wird nach besonders harten, extrem leichten und vor allem günstigen Kunststoffen gesucht.
Neue Materialien
Die besondere Leistung des PAZ: Neue Materialien werden nicht nur im Labor in kleinen Reagenzgläsern getestet, sondern in riesigen Kesseln im Industriemaßstab. So finden die Forscher für ihre Kunden heraus, welche Stoffe sich für eine kommerzielle Nutzung eignen. Das Angebot im PAZ sei europaweit einmalig, erklärt ein Sprecher des Wissenschaftsministeriums in Magdeburg. Auf die Ideenschmiede ist das Land stolz. Geld in Millionenhöhe fließt aus Sachsen-Anhalt.
Bartke betritt, ausgerüstet mit Schutzhelm und -brille, eine Halle. In großen Reaktoren werden sogenannte Polymere, wie bestimmte Molekülketten genannt werden, erforscht. Sie sind der Ausgangspunkt für Kunststoff. Das Ziel sei es, mit einer neuen Anordnung der Elemente in den Polymerketten leistungsfähigere Kunststoffe zu entwickeln oder neue Anwendungsmöglichkeiten zu eröffnen - etwa Synthesekautschuk für umweltfreundliche Reifen herzustellen.
In einer zweiten Halle ist es lauter. „Hier kann man etwas spielen“, sagt der Leiter der Polymerverarbeitung, Peter Michel. Die Polymere werden hier von riesigen Maschinen zu modernen Bauteilen nach Maß verarbeitet - wie Heckklappen oder Rahmenteile für Autos.
Das PAZ ist eine gemeinsame Initiative der Fraunhofer-Institute für Angewandte Polymerforschung (IAP) und Werkstoffmechanik (IWM). Zu den Kunden des PAZ gehören Autohersteller wie BMW in Leipzig, Mercedes in Berlin oder Opel in Eisenach. Aber auch weltweit interessieren sich Auftraggeber für die Kunststoffe.
Der Value-Park gilt als eine Wiege der Kunststoffproduktion - zu DDR-Zeiten bekannt durch die damaligen Buna-Werke. Der Werbespruch „Plaste und Elaste aus Schkopau“ verbreitete sich weltweit. Heute besteht das rund 150 Hektar große Areal vor allem aus Chemieanlagen, Labors und Büros. Im Oktober feiert das PAZ sein zehntes Jubiläum. (dpa)

