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Fluchtversuch mit der «Libelle»

14.01.2007, 16:20

Braunsbedra/MZ/dd. - Holger Schmidt und Sven Jakubowski vom Projekt geiseltalsee.com hatten in Vorbereitung der aktuellen Faltboot-Ausstellung in der Pfännerhall vergebens recherchiert. Nirgendwo fanden sie Informationen über diesen Antrieb made im Geiseltal. Ein Hilferuf in der MZ stieß schließlich auf große Resonanz. Sechs ehemalige Beschäftigte des VEB BKK Geiseltal trafen sich nun zum Erfahrungsaustausch. Etliche weitere hatten Sven Jakubowski und Holger Schmidt zuvor mit Materialien und Erinnerungsstücken versorgt, die jetzt als Leihgaben die Ausstellung ergänzen.

Beide erfuhren nun, dass der Motor eigentlich aus den USA kam, dann in Tschechien verkauft wurde und unter recht abenteuerlichen Umständen 1973 in den Betrieb gelangte, wo der Kombinatsdirektor den Auftrag gab, ihn für die Konsumgüterproduktion nachzubauen. Zwei Jahre dauerte es bis zum Start der Serienproduktion. In Großkayna wurde extra eine Bootsmotorenwerkstatt errichtet, in der hauptsächlich Behinderte in der Endmontage arbeiteten. Unternehmen aus der gesamten DDR waren Zulieferer. Werkstätten des Braunkohlekombinats stellten weiteres Zubehör her. Vier verschiedene "Libellen" kamen insgesamt auf den Markt.

Angesichts historischer Messeplakate, Bedienungsanleitungen, Muster und einer echten "Libelle 3" hieß es Samstag immer wieder: "Weißt du noch..." Rolf Röder, der federführend an der Entwicklung des Motors beteiligt war, saß ebenso in der Runde wie der ehemalige Werkstattleiter Kurt Kühn oder Hans-Joachim Koch, der damals in Berlin nachforschen musste, ob es auf den amerikanischen Motor ein Patent gab. Kurios und zugleich tragisch war die erzählte Geschichte von einem gescheiterten Fluchtversuch mit einer "Libelle" durch die Spree in Berlin. Stahlnetze im Wasser verhinderten den Erfolg des Tauchmanövers.

Holger Schmidt zog schließlich ein positives Fazit des Treffens. "Ein weißer Fleck auf dem Papier wurde heute mit Leben erfüllt."