"Es geht nicht um die Familienehre" "Es geht nicht um die Familienehre": Namensgeber der Rademacherstraße zu Besuch

Merseburg - „Es geht nicht um die Familienehre“, meint Thomas Rademacher, Urenkel Otto Rademachers. Das Informationsschild, das Fußgängern das Wirken seines Vorfahren näherbringen soll, habe er gespendet, weil man derartiges in Dresden und Hamburg häufig sehe. Der 66-Jährige aus Dresden findet es sinnvoll, wenn man durch Straßenzusatzschilder ein Stück Stadtgeschichte erfährt. Für die Anbringung sind er und seine Frau extra nach Merseburg gereist, da es für ihn eine Möglichkeit war, mehr über seinen Urgroßvater zu erfahren, den er selbst nicht kennenlernen konnte.
Namensursprung der Rademacherstraße
Das Erklärschild der Rademacher Straße, die 1932 nach dem Pädagogen und Historiker benannt wurde, ist Teil der Initiative „Aha-Effekt am Straßeneck“ des Merseburger Altstadtvereins. 2013 wurde mit einem Schild an der König-Heinrich-Straße der Anfang gemacht, inzwischen wird der Namensursprung von stattlichen 32 Merseburger Straßen erläutert. Anwesend waren auch dieses Mal der Vorsitzende des Merseburger Altstadtvereins Günter Hannuschka sowie die Verantwortlichen des Projekts Angela Biemann und Uwe Triebel.
Vom Leben des neusten Namensgebers berichtete Katja Finger: Otto Rademacher wurde am 13. März 1847 in Calbe an der Saale geboren. Er besuchte die lateinische Hauptschule der Franckeschen Stiftungen in Halle und studierte später dort die Fächer Philosophie, Philologie, Germanistik und Geschichte. Ab 1870 diente er für ein Jahr im Deutsch-Französischen Krieg, bevor man ihn aus gesundheitlichen Gründen entließ. 1871 promovierte Rademacher als Doktor der Philosophie und lehrte schon bald am Domgymnasium in Merseburg.
Der Geschichtsliebhaber
Derweilen wohnte er in der Curia St. Sigismundi, der heutigen Domstraße 10. 1892 wurde Rademacher als Oberlehrer, ein Jahr später als Professor ausgezeichnet. Allerdings schied er bereits 1903 aus dem Schuldienst aus. Dies sei auf seine angeschlagene Gesundheit, resultierend aus seiner Zeit im Krieg, zurückzuführen, so Finger. Fortan konzentrierte Rademacher sich auf das Studium der Merseburger Geschichte.
In seinen insgesamt 44 Jahren in Merseburg verfasste er „aus seiner tiefen aber nicht blinden Liebe zu dieser Stadt“ über 80 Arbeiten von unterschiedlichem Umfang. „Er war kein Vielschreiber“, sagte Finger, „aber er beschäftigte sich mit unbekannten Aspekten und kam zu überzeugenden Ergebnissen.“ Auch für bereits dokumentierte Geschichtsquellen habe Rademacher sich eingesetzt. So kümmerte er sich um den Erhalt und die Pflege des Domkapitel- und Stadtarchivs sowie das Ordnen von Dokumenten im Heimatmuseum.
Persönlich verband Rademacher mit Merseburg, dass er seine Ehefrau Maria Simon, Tochter des damaligen Kreisphysikus, hier kennengelernt hat. Die beiden bekamen einen Sohn, der später eine Rechtsanwaltspraxis in der Stadt führte. Am 10. Februar 1918 verstarb Otto Rademacher und wurde auf dem Friedhof St. Maximi begraben.(mz)