1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Merseburg
  6. >
  7. Tödlicher Luftangriff 1944: Erinnern an die Bomben auf Merseburg

Tödlicher Luftangriff 1944 Erinnern an die Bomben auf Merseburg

Am 6. Dezember 1944 traf Merseburg der schwerste Luftangriff des Zweiten Weltkrieges. Er brachte Tod und Zerstörung. Die Stadt gedachte dem nun 80 Jahre später mit Gottesdienst, Ausstellung und nachdenklichen Worten.

Von Robert Briest Aktualisiert: 08.12.2024, 18:20
Der Schlosser Franz Wagner hielt nach den Bombenangriffen die Szenen aus seiner zerstörten Heimatstadt auf Aquarellen fest.
Der Schlosser Franz Wagner hielt nach den Bombenangriffen die Szenen aus seiner zerstörten Heimatstadt auf Aquarellen fest. Repro: Robert Briest

Merseburg/MZ. - „Vor 80 Jahren um diese Zeit ertönten die Sirenen, vielen die Bomben. Für viele Menschen war danach nichts mehr, wie es vorher war.“ Mit diesen Worten blickte Pfarrerin Susanne Mahlke am Freitagmittag auf die Ereignisse des Nikolaustages 1944 zurück. Damals traf die Domstadt, die schon in den Monaten zuvor immer wieder Ziel alliierter Bomber geworden war, der schwerste der Luftangriffe des Zweiten Weltkrieges. Allein an diesem Tag fielen knapp 1.500 Bomben auf die Stadt. Insgesamt waren es bei den 23 Angriffen 1944 und 1945 fast 10.000. 540 Einwohner starben, Hundert wurden verletzt, Tausende obdachlos.

Stadt, Altstadtverein und Kirche gedachten Freitag gemeinsam den Ereignissen vor 80 Jahren. Im Mittelpunkt stand dabei eine von knapp drei Dutzend Einwohnern und Stadträten besuchte Andacht in der Stadtkirche, die einst selbst Schäden am Turm davon getragen hatte. Pfarrerin Mahlke erinnerte dort daran, dass die Verantwortlichen von damals zwar nicht mehr lebten, aber teils noch Zeitzeugen, die die Angriffe damals als Kind erlebt hätten. „Was wir tun können, ist zu schauen: Wohin führt unser Handeln? Es hat damals klein angefangen in Merseburg, in Weimar, wo ich herkomme, schon vor 1933. Es fing harmlos an. Aber wie ist es geendet?“

Pfarrerin Susanne Mahlke fragte: „80 Jahre und sind wir klüger geworden?“
Pfarrerin Susanne Mahlke fragte: „80 Jahre und sind wir klüger geworden?“
Briest

Für Merseburg in Zerstörung, die die Altstadt grundlegend umgekrempelt hat. Davon können sich Besucher der Stadtkirche nun selbst ein Bild machen. Vor der Andacht eröffnete der Altstadtverein dort eine Ausstellung mit Bildern von Franz Wagner: „Die Aquarelle hat er nach dem Bombenangriff 1944 gemacht, weil es ihn sehr bewegt haben muss“, erklärt der Vereinsvorsitzende Günter Hanuschka. Der Altstadtverein hatte die Aquarelle 2005 von den Erben des eigentlichen Schlossers erworben.

Sie zeigen in kräftigen Farben Bilder der Zerstörung, Trümmer, die sich über die Gotthardstraße türmen, ein weggerissener Straßenzug in der Schmalen Straße, der plötzlich den Blick auf die Stadtkirche freigab: Die Farben würden das Motiv nicht schöner machen, befand Hanuschka. Man würde so nur das Entsetzliche besser sehen. Gerade für die, die die Kriegszeit selbst erlebt hätten, sei die Ausstellung berührend.

Stadt und Geschichtswerkstatt legten Kränze am Markt 1 nieder.
Stadt und Geschichtswerkstatt legten Kränze am Markt 1 nieder.
Briest

Doch die Zahl der Zeitzeugen, die, als der von Deutschland gestartete Krieg dorthin zurückkam, in den Luftschutzbunkern Zuflucht suchten, die die Brände in der Stadt erlebten, sie schwindet zusehends. Pfarrerin Mahlke empfahl daher, zu Risiken und Nebenwirkungen des Faschismus die Eltern und Großeltern, so sie denn noch lebten, zu befragen oder ins Geschichtsbuch zu gucken.

Eine Mahnung findet sich als Großplakat auch an der Fassade des Hauses Markt 1: „Nie wieder Krieg“ steht darauf. Das Gebäude an der Südostecke des Marktes ist der letzte verbliebene Überrest des Neuen Rathauses, das bei den Luftangriffes zum Ende des Zweiten Weltkrieges schwer zerstört wurde. Unter dem Plakat legten Stadt und die Geschichtswerkstatt Merseburg nach der Andacht zwei Kränze nieder. Bürgermeister Bellay Gatzlaff erklärte mit Blick auf die Aufforderung über ihm: „Frieden muss jeden Tag wieder erarbeitet werden.“ Derzeit stünden die Zeichen da sehr schlecht.