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Streit um Haushalt des Weida-Landes Eklat im Gemeinderat: Mitglied verlässt Sitzung aus Frust - Abstimmung gefährdet

Ratsmitglied Andreas Siegert wollte im Weida-Land die Abstimmung über den Haushalt 2023 platzen lassen und verließ den Saal. Anschließend übte er eine Generalkritik an der Ratskultur. Denn Vorberatungen gibt es dort bisher nur hinter verschlossenen Türen.

Von Anke Losack und Robert Briest 01.04.2023, 12:00
Im Kulturhaus Obhausen fand die Sitzung statt
Im Kulturhaus Obhausen fand die Sitzung statt Foto: Sieler

Weida-Land/MZ - Während die Debatte über den Haushaltsplan des Weida-Landes 2023 im Verbandsgemeinderat im Gange war, packte Ratsmitglied Andreas Siegert seine Dokumente zusammen und ging zur Tür. Die Anwesenden schauten überrascht und fragend. Der Beschluss über den Etat der VG schien plötzlich auf der Kippe zu stehen. Denn Siegert sagte noch beim Herausgehen: „Beschlussfähigkeit muss zum Abstimmungszeitpunkt bestehen.“ Numerisch war die durch seinen Abgang nicht mehr gegeben.

Im kleinen Saal des Kulturhauses Obhausen wurde es laut. Die Räte redeten durcheinander. Eine Mitarbeiterin der Verwaltung blätterte im Gesetz. VG-Bürgermeister Kay-Uwe Böttcher (CDU) lief aus dem Saal, um zu telefonieren. Auch Obhausens Bürgermeister Sven Hoffmann (parteilos) folgte. Er rief VG-Rätin Karola Rebs an, die eigentlich entschuldigt fehlte. Kurz nach Böttcher kam Hoffmann zurück in den Saal, sagte: „Karola kommt.“ Da hatte der Ratsvorsitzende Frank Mylich gerade eine 15-minütige Pause verkündet. Als Rebs schließlich eintraf, stimmte der Rat ohne weitere Debatte über den Etat ab. Acht mal Ja, drei Enthaltungen, als Zustimmung.

Siegerts Grundsatzkritik

Die Begleitumstände sorgten jedoch für Diskussionen. Während die Räte auf Rebs warteten, fragte Barnstädts Bürgermeister Gerald Reichmann in die Runde: „Ist das jetzt gelebte Demokratie?“ „Ja“, antwortete Mylich. „Ich denke, wir möchten alle hier am Tisch diesen Verbandsgemeinde-Haushalt verabschieden, denn es hängen alle Mitgliedsgemeinden dran.“ Ratsmitglied Ronny Kluge meinte, das Verhalten von Siegert sei definitiv nicht in Ordnung gewesen. Aber nun ein anderes Ratsmitglied einzusetzen, sei keine Demokratie. „Es hat schon ein Geschmäckle“, merkte auch Anja Beyer-Würtenberger an.

Doch warum war Siegert überhaupt gegangen? Seine Verärgerung war schon während der vorangegangenen Diskussion über den Haushalt, die er die meiste Zeit allein mit der Verwaltung führte, spürbar gewesen. „Manche Zahlen sind für mich einfach nicht nachvollziehbar“, haderte er und kritisierte ein seiner Meinung nach bestehendes Strukturproblem, „das uns irgendwann die Luft abschnürt“. Das Weida-Land habe schon jetzt Defizite, obwohl es sparsam geplant habe.

Weida-Land hat bisher keine öffentlichen Ausschüsse

Sein Unmut ging aber über den Etat hinaus, hinein ins Grundsätzliche: die Arbeitsweise des Rates. Mit einem Tag Abstand bezeichnete er die Abstimmung als Farce. Gerade angesichts des Defizits reiche es nicht, nur eine halbe Stunde über den Etat zu sprechen. Siegert kritisierte, dass die Vorbereitungszeit zu kurz gewesen sei, der 400-seitige Haushalt erst eine gute Woche vor der Sitzung digital zur Verfügung gestellt wurde. Jede Kritik werde im Rat zudem gleich als persönlich abgetan. Siegert forderte als Konsequenz die Einrichtung eines Hauptausschusses, um zentrale Themen wie den Haushalt ausführlich vordiskutieren zu können.

Anders als die anderen Stadt- und Gemeinderäte im Saalekreis hat die VG keine Ausschüsse. Vorberatungen finden nur in Arbeitsberatungen statt, zu denen Räte, teilweise auch Investoren, geladen werden – die Öffentlichkeit außen vor bleibt. Zur Arbeitsberatung zum Haushalt sei Siegert nicht gewesen, sagte Mylich. Der Ratschef widersprach dem Kritiker. Die Zustellung des Haushalts sei nicht erst eine Woche vor der Sitzung erfolgt. Andere Räte würden es trotz Vollzeitjob auch schaffen, sich vorzubereiten. Der Haushalt sei jedenfalls absolut ausreichend vorberaten gewesen.

Ratschef sieht keinen Bedarf für Ausschüsse

Sollte sich eine Mehrheit für die Einrichtung eines Haupt- oder Finanzausschusses finden, werde man das machen, erklärte Mylich. Er sieht dafür aber keine Notwendigkeit. „Mit der Bildung von Ausschüssen schließe ich ja immer Mandatsträger aus. Aber das kann ich bei so entscheidenden Dingen wie einem Haushalt doch nicht.“

Siegert ist mit seinem Wunsch aber nicht allein. Barnstädts Bürgermeister Reichmann unterstützt das: „Man kann die ganze Sache nur transparenter gestalten, wenn man sowas in kleineren Gruppen intensiver bespricht.“ Er glaubt, dass die jüngste Sitzung da einige wachgerüttelt habe und will mit der Einrichtung von Ausschüssen nicht mehr bis nach der Kommunalwahl 2024 warten: „Wir schieben das jetzt an.“

Bürgermeister hat überraschendes Detail parat

VG-Bürgermeister Böttcher erklärte: „Ich habe mit Ausschüssen kein Problem.“ Das müsse der Rat in der Hauptsatzung festlegen. Bisher habe es dafür keine konkreten Anträge gegeben. Zur Kritik an der Vorbereitungszeit sagte Böttcher, der Haushalt sei zwölf Tage vor der Sitzung digital verschickt worden. Zu deren Verlauf hatte er noch eine Wendung parat: Der Rat hätte nach Siegerts Abgang auch ohne Rebs rechtskräftige Beschlüsse fassen können. Das sei laut Kommunalverfassungsgesetz so lange möglich, bis ein anwesendes Ratsmitglied offiziell beantragt, dass die Nichtbeschlussfähigkeit festgestellt wird.