Dritter Zauberspruch entdeckt?
Merseburg/MZ. - "Ich habe nur etwas Rundes gesehen und dachte zuerst, das ist eine Bombe", schildert er. Das wäre durchaus denkbar gewesen - immerhin wurden 1944 / 45 auch Schloss und Schlossgartensalon durch Bomben beschädigt. Bei genauem Hinsehen merkte Jakob aber, dass keine Gefahr drohte. Es handelte sich um eine Art Hülse, die ins Museum gebracht und vorsichtig geöffnet wurde. Im Innern befand sich eine Rolle groben Papiers. Doch ehe sich Enttäuschung ausbreiten konnte, entrollte sie einer der Mitarbeiter - und plötzlich standen alle mit offenen Mündern und großen Augen da: Sie hatte ein Schriftstück in sich geborgen, das auf den ersten Blick an die Merseburger Zaubersprüche erinnerte.
Wegen der möglichen internationalen Bedeutung des Fundes informierte das Schlossmuseum umgehend das Domstift - in dessen Bibliothek befinden sich die berühmten Merseburger Zaubersprüche. Kustos Dr. Holger Kunde, der vor zwei Jahren die Ausstellung "Zwischen Kathedrale und Welt" federführend betreut hatte, setzte sich sofort ins Auto und kam von Naumburg nach Merseburg.
Er zeigte sich äußerst erstaunt und beeindruckt. Trotz der Wasserflecken ist die Schrift auf dem alten Dokument gut erkennbar. "Wir sind gerade dabei, unsere Bestände zu ordnen und die Ausstellung zur Eröffnung des Merseburger Kapitelhauses am 18. August vorzubereiten", sagte er. Hinweise auf einen dritten Zauberspruch habe er zwar bisher nicht gefunden, aber er wolle nichts ausschließen. Falls sich die Echtheit der Schrift erweise, wäre das eine absolute Sensation. Auf den ersten Blick könne er durchaus Ähnlichkeit feststellen.
Rätsel gab der Fundort auf. Experten vermuten, dass ein Bibliotheksmitarbeiter das kostbare Stück vor den Bombenangriffen schützen wollte und es deshalb vergraben habe. Die bisher bekannten zwei Merseburger Zaubersprüche wurden 1841 in der Bibliothek des Domkapitels Merseburg in einer aus Fulda stammenden theologischen Handschrift des 9. / 10. Jahrhunderts entdeckt.