Der Welt-Laden in Merseburg Der Welt-Laden in Merseburg: Halal-Produkte und Menschlichkeit

Merseburg - Das Teeregal in Hesha Abdulahs Laden ist so etwas wie ein Spiegel der multikulturellen Gesellschaft. Da steht indischer Chai neben English Breakfast, türkischem Apfeltee und Mate aus Argentinien. Die Nationalität der Produkte ist nicht entscheidend - es ist, ganz einfach, Tee. Und im Laden kaufen, ebenso einfach, Menschen: Aus Palästina, dem Kosovo und Syrien, aus der Ukraine, Deutschland und dem Irak.
Halal Lebensmittel
Hesha Abdulah beschloss mit 23, sich selbstständig zu machen. Er hatte seine Ausbildung als Facharbeiter für Metalltechnik abgeschlossen, wollte aber lieber ein eigenes Geschäft gründen, als angestellt zu sein. „Es gab vor zwei Jahren noch keinen Laden in Merseburg, der Lebensmittel verkauft, die halal sind“, erinnert sich Abdulah. Halal bedeutet, dass die Produkte nach islamischer Sicht rein sind. Zum Beispiel dürfen sie weder Schweineerzeugnisse noch Alkohol enthalten. „Damals dachte ich, dass der Bedarf für solche Produkte in Merseburg groß ist.“
Gewürze aus vielen Regionen der Welt
Der Merseburger Dialekt ist deutlich zu hören, wenn Abdulah spricht. Er ist in der kurdischen Stadt Arbil im Irak geboren. Mit vier Jahren kam er nach Deutschland, weil seine Familie politisch verfolgt wurde. Er wurde in Merseburg eingeschult, machte seinen Abschluss an der Goetheschule und ging für seine Ausbildung nach Leipzig. In der Großstadt war es für den Muslim kein Problem, halal einzukaufen - zu Hause in Merseburg dagegen schon. Vor zwei Jahren dann begann der gelernte Metallarbeiter, Business-Pläne zu schreiben. „Ich musste lernen, Kosten und Nachfrage zu kalkulieren und mein eigenes Geschäft zu planen.“
Heute gibt es in Abdulahs Laden Gemüse, Fleisch, Konserven und Gewürze aus vielen Regionen der Welt. In dem Gewürzregal, vor dem der 25-Jährige steht, liegen neben Päckchen mit Kreuzkümmel und Sesam auch getrocknete Limetten, kleine, etwas schrumpelige Kugeln. Abdulah hat einen Rezepttipp parat: „Damit kann man wunderbar Hühnerfleisch und Suppen würzen.“ Seine Kunden stammen aus unterschiedlichen Ländern. „Es kommen auch viele Deutsche - vor allem wegen der exotischen Gewürze.“
Laden ist sozialer Treffpunkt
Hesha Abdulahs Konzept eines multinationalen Ladens ist aufgegangen. Eines aber stand nicht im Business-Plan: Dass sich aus dem Geschäft ein sozialer Treffpunkt entwickeln würde, ein Ort, an dem sich Menschen mit unterschiedlichen Wurzeln austauschen und an dem sie Hilfe finden. An der Kasse sitzt an diesem Tag Sara Mohamed, Abdulahs Mutter. Sie hilft im Laden aus - nicht nur, indem sie Preise in die Kasse tippt, sondern auch als Dolmetscherin und Vermittlerin. Um Mohamed herum steht eine Gruppe junger Männer. Sie haben einen Brief mitgebracht und reden aufgeregt auf Arabisch. Mohamed beruhigt sie, greift zum Telefon und wählt die Nummer des Sozialamts, um zu erklären, dass die syrische Familie eine Wohnung sucht, die groß genug ist für neun Personen. „Ich spreche Deutsch, Arabisch, Kurdisch und ein bisschen Bosnisch“, erzählt sie und fügt bescheiden hinzu: „Nicht viel.“
Unterstützung mit Anträgen und Telefonaten
Genug in jedem Fall, um all den Migranten zu helfen, die ohne Deutschkenntnisse nach Merseburg kommen und die Post vom Amt nicht verstehen können. Dass Mohamed gerne hilft, hat sich herumgesprochen. „Ich führe jeden Tag mindestens zwanzig Telefonate, fülle Anträge aus und übersetze Briefe“, sagt die Kurdin, die längst auch einen deutschen Pass hat. Seit über zwanzig Jahren lebt sie in Merseburg. Jetzt liegt es ihr am Herzen, diejenigen zu unterstützen, die wie sie damals in ein unbekanntes Land kommen.
Ladenbesitzer Abdulah bezeichnet es als Sozialhilfe, was er und seine Mutter leisten. Die Verkaufsfläche hat er inzwischen vergrößert - und freut sich, dass er jetzt sein eigenes Lieblingsessen im Sortiment hat: „Sucuk, eine türkische Rinderwust.“ Die gibt es jetzt regelmäßig zum Frühstück. (mz)
