Debatte um Fahrtauglichkeitsprüfung für Ältere Debatte um Fahrtauglichkeitsprüfung für Ältere: Freie Fahrt für Senioren im Saalekreis

Merseburg - Nicht die Fahranfänger, sondern die Senioren am Steuer sind ins Visier von Unfallforschern geraten. Am Rande des jüngsten Verkehrsgerichtstages in Goslar forderte ein Berufsverband mal wieder die schon häufig diskutierten Fahrtauglichkeitsuntersuchungen für ältere Autofahrer. Nicht nur mit dem ADAC formierte sich prompt Widerstand, auch beim Straßenverkehrsamt des Kreises lehnt man verpflichtende Überprüfungen kategorisch ab.
Schon in der Vergangenheit hatte der Landkreis in Zusammenarbeit mit der Volkshochschule spezielle Seminare für die Generation 60 plus angeboten. „Momentan läuft die ’Aktion Schulterblick’ nicht, aber wir wollen diese Seminare gern fortführen“, sagte der Leiter des Straßenverkehrsamtes, Helmut Menzlow, auf MZ-Anfrage.
In den Kursen werden die Teilnehmer zum einen für die Probleme und Gefahren im Straßenverkehr oder der Bedienung von Fahrzeugen sensibilisiert. Zum anderen erhalten sie aber auch wertvolle Tipps, wie man bis ins hohe Lebensalter möglichst unfallfrei fahren kann. „Zum Beispiel weisen wir darauf hin, dass bei bestimmten Beeinträchtigungen der gezielte Einsatz der verfügbaren Fahrassistenten helfen kann“, erklärte Menzlow. Er verweist etwa auf den Totwinkel-Assistenten, der denjenigen hilft, die nicht mehr so leicht den Kopf drehen können. Damit es angesichts all der technischen Helferlein am Steuer jedoch nicht zu einer Überforderung kommt, sollten aber auch nur die Assistenten eingebaut sein, die man auch wirklich gebrauchen kann. „Auch diesbezüglich beraten wir natürlich“, sagte Menzlow.
Wechsel von Helligkeit und Dunkelheit
Oft seien es auch Probleme beim Wechsel von Helligkeit und Dunkelheit, Nebenwirkungen von Medikamenten oder der Stress im Berufsverkehr, der ältere Autofahrer überfordert, meint Menzlow. So sollten sich ältere Verkehrsteilnehmer, die häufig Arznei einnehmen, immer erklären lassen, ob die Fahrtauglichkeit eingeschränkt wird, um dann keine böse Überraschung zu erleben.
„Der Gesetzgeber nennt zu recht keine Altersgrenzen beim Führerschein, sondern baut auf die Selbstbestimmtheit der Senioren“, ergänzt Experte Menzlow. Schließlich könnten sie selbst entscheiden, ob sie freitagnachmittags in die City fahren müssen oder eine nächtliche Fahrt nötig ist. Menzlow verweist zudem auf die Abhängigkeit vieler Senioren vom Auto. „Wir leben in einem ländlichen Raum, da ist das Auto für die allermeisten fast schon eine lebenserhaltende Maßnahme“, betonte der Behördenleiter. „Da können wir die Älteren doch nicht einfach von der Straße schubsen.“ Zudem: Viele seien so stolz darauf, einen Führerschein zu besitzen. „Die geben den Schein selbst dann nicht ab, wenn sie sich nicht mehr selbst hinters Steuer setzen.“
Demografische Entwicklung
Die demografische Entwicklung wirkt sich auch auf das Thema Verkehrssicherheit aus. Im Saalekreis lebten zuletzt gut 190.000 Menschen, jeder fünfte davon war 65 Jahre oder älter. Wie viele der Senioren einen Führerschein haben oder noch selbst Auto fahren, ist unklar. Allerdings zeigen die Zahlen, dass auch bei den Unfallverursachern fast jeder fünfte zur Gruppe Ü65 zählt. 627 waren es laut Angaben im Jahr 2014, ein Jahr zuvor waren es bei mehr Unfällen noch deutlich weniger Senioren, die diese auch verschuldet haben.
Doch auch wenn es keine gesetzliche Verpflichtung zur Fahrtauglichkeitsprüfung gibt: Beim wem es häufiger kracht, meldet dies die Polizei an die Führerscheinstelle - unabhängig vom Alter des Fahrers. Die bittet dann um die Vorlage eines hausärztlichen Attestes. Bei der Verweigerung kann der Arztbesuch auch angeordnet werden. Nur in selten Fällen greift die Behörde zum Äußersten und zieht den Führerschein von Amts wegen ein. (mz)