Chef der Raffinerie in Leuna Chef der Raffinerie in Leuna: Willi Frantz zieht Leuna Paris vor

Leuna - Die Raffinerie Leuna, Sachsen-Anhalts umsatzstärkstes Unternehmen, hat mit Willi Frantz einen neuen Geschäftsführer. Wer ist dieser Mann, der seit 1999 im Total-Konzern eine steile Karriere genommen hat? MZ-Redakteur Dirk Skrzypczak hat sich mit dem Rheinländer unterhalten.
Willi Frantz wurde in Jülich (Nordrhein-Westfalen) geboren. Seit 1999 arbeitet er für den Total-Konzern. In Leuna begann er als Betriebsleiter Energie, wechselte dann 2008 in die Konzernzentrale nach Paris. Dort war er bis 2010 für die technische Koordination der Standorte Feyzin und Rom verantwortlich. Danach übernahm er bis 2012 ebenfalls von Paris aus die Projektleitung für Großinvestitionen in Antwerpen und Vlissingen. Anschließend kehrte er nach Leuna zurück und war dort zuletzt Technikchef. Der 48-Jährige ist verheiratet. Er hat zwei Kinder und wohnt in Leipzig.
Bei der feierlichen Verabschiedung von Reinhard Kroll hat Sie Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff als Jungspund bezeichnet. Ist man mit 48 noch nicht reif für das Topmanagement?
Frantz: Das war sicher positiv gemeint, weil die neue Generation nachrückt. Aber der Landesvater hat Recht. Es ist selten, dass man so eine Funktion übertragen bekommt und beim Alter vorn nicht mit einer fünf beginnt. Für mich ist die neue Aufgabe Auszeichnung und Verpflichtung zugleich. Aber noch ein Wort zum Jungspund: Ich habe 25 Jahre Berufserfahrung.
Sie sind seit zwei Wochen Geschäftsführer. Wie war der Start?
Frantz: Stellen Sie mir diese Frage noch einmal in 80 Tagen. Natürlich kenne ich die Raffinerie aus meinen bisherigen Tätigkeiten sehr gut. Und doch ist das Gesamtspektrum etwas anderes. Jetzt ist es meine Aufgabe, das große Ganze im Blick und in der Waage zu halten. An meine Pflichten als ’Außenminister’ der Raffinerie, der nicht wenige repräsentative Pflichten zu erfüllen hat, muss ich mich noch gewöhnen. Ich finde aber gerade die neuen Dinge sehr spannend.
Bei der Verabschiedung von Reinhard Kroll war von großen Fußstapfen die Rede, in die sie treten.
Frantz: Reinhard Kroll hat mich 1999 eingestellt. Dafür bin ich ihm dankbar. Wir haben ein sehr gutes Verhältnis. Und glauben Sie mir, ich wäre nicht in diese Position gekommen, wenn ich nicht seine Fürsprache gehabt hätte. Auch in Paris hatte sein Wort Gewicht. Die Sache mit den Fußstapfen finde ich aber absurd. Ich imitiere niemanden, habe meinen eigenen Stil und meine Historie. Mit Reinhard Kroll teile ich aber viele Wertvorstellungen.
Der Markt ist schwierig, auch der Total-Konzern schließt Raffinerien. Wie ist es um Leuna bestellt?
Frantz: Leuna ist noch immer die modernste Raffinerie Europas. Und sie hat innerhalb der Total-Gruppe einen sehr hohen Stellenwert, weil sie positive Ergebnisse erzielt. Und zwar stabil seit Jahren.
Es ist Ihre Aufgabe, dafür zu sorgen, dass der Standort zukunftssicher bleibt. Wie wollen Sie das erreichen?
Frantz: Wir sind gut gerüstet, dürfen uns aber nicht ausruhen. Sonst werden wir auf dem Markt üblich von anderen überholt und durchgereicht. Nach der Inbetriebnahme der Raffinerie sind bereits große Investitionen in die Anlagen geflossen. Damit reagieren wir auf die Veränderungen am Markt, der beispielsweise weniger Benzin verlangt. Man investiert nicht dort, wo eine unsichere Perspektive besteht. 2014 hat der große Stillstand über 100 Millionen Euro gekostet, hinzu kamen Projekte mit einem Finanzvolumen im zweistelligen Millionenbereich. Und für 2017 haben wir zwei Projekte im Blick, die uns noch wettbewerbsfähiger machen sollen. Wir planen eine Erweiterung unseres Produktportfolios im Bereich der Grundstoffe für Petrochemie. Das andere Vorhaben ist ein Entsalzer, mit dem wir das Salz aus dem Rohöl extrahieren. Dann sind die Salze nicht mehr in der Prozesskette wirksam. Wir versprechen uns weniger Korrosion in den Anlagen, dadurch eine höhere Verfügbarkeit und weniger Kosten für die Instandhaltung. So ein Projekt lässt sich intern nur schwer verkaufen, weil es keinen unmittelbaren ökonomischen Nutzen zeigt. Die Effekte sieht man in zehn Jahren. Dass der Konzern bereit ist, dafür Geld auszugeben, zeigt den Stellenwert von Leuna und die Perspektive im Konzern. Noch ist die finale Entscheidung für die Investitionen zwar nicht gefallen. Ich bin aber optimistisch.
Zentrales Thema der Wirtschaft ist die Suche nach Fachkräften. Haben Sie da Probleme?
Frantz: Die Personalentwicklung ist in der Tat eine große Herausforderung. Die Raffinerie ist jetzt 17 Jahre in Betrieb. Damals wurden bewusst erfahrene Mitarbeiter gesucht, um von Beginn an erfolgreich zu sein. Diese Strategie ist aufgegangen. Das bedeutet aber, dass wir bei der Altersstruktur in unserem Unternehmen nicht der ansonsten üblichen Verteilung entsprechen. Bislang haben wir keine Probleme, Fachkräfte zu finden. Und so soll es bleiben. Das heißt natürlich auch, dass wir die Voraussetzungen brauchen, um für junge Leute attraktiv zu sein.
Attraktiv ist die Raffinerie nicht nur als Arbeitgeber, sondern auch für Vereine und Institutionen. Sie fördern Kultur und Sport in der Region. Behalten Sie diesen Kurs bei?
Frantz: Absolut. Ich habe mit meiner Familie mehrere Jahre auf einem Dorf bei Weißenfels gewohnt. Wir haben Freunde gewonnen, die Gemeinschaft hat uns geprägt. Und ich habe Menschen getroffen, die aus dem Wenigen, was zur Verfügung stand, das Maximale herausgeholt haben. Da wurde nicht lamentiert, da wurde gehandelt. Das finde ich erfrischend. So eine Region zu fördern, ist doch Ehrensache. Deshalb werde ich an dieser Politik nichts ändern. Übrigens fühlt sich auch meine Familie hier sehr wohl. Noch mal zur Erinnerung: Wir kamen aus Paris.
Es heißt, dass Sie Motorrad fahren und E-Gitarre spielen.
Frantz: Da muss ich etwas erklären. Ich bin in einer Bergarbeiterfamilie mit drei Geschwistern aufgewachsen. Als ich zehn Jahre alt war, ist mein älterer Bruder mit einem motorisierten Zweirad tödlich verunglückt. Und obwohl das Motorradfahren immer ein Traum von mir war, hatte ich es nicht gewagt, meinen Eltern etwas anzutun, das mit dem Risiko verbunden ist, einen zweiten Sohn zu verlieren. Irgendwann habe ich mir dann gesagt, dass ich die Reife dafür habe. Seit 2014 habe ich den Motorradführerschein. Ein Draufgänger bin ich aber nicht, die Sicherheit steht an erster Stelle. Und was die Musik betrifft: Ich spiele leidenschaftlich, wenn auch nicht besonders gut, E-Gitarre. Früher war ich in einer Schülerband. Heute habe ich für eine Band leider keine Zeit.
Etwas interessiert noch: Ärgern Sie sich eigentlich auch über Preisschwankungen an Tankstellen?
Frantz: Die Preisschwankungen sind zunächst ein Indiz dafür, dass die Marktregeln von Angebot und Nachfrage funktionieren. Warum sollte ich mich darüber ärgern? Unsere Aufgabe als Raffinerie ist es, eine gleichbleibend hohe Qualität der Kraftstoffe zu garantieren. (mz)