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Ausgrabungen Ausgrabungen: Angefasst wird mit den Augen

Von Undine Freyberg 24.06.2004, 16:55

Esperstedt/MZ. - "Bist du verrückt! Nicht anfassen", ruft einer der Grabungshelfer. "Unsere Hände sind die Augen. Das solltest du eigentlich wissen." Der so Angefahrene zieht sofort seine Hand zurück und lässt das nur millimetergroße grünliche Etwas da, wo es vermutlich seit rund 4 000 Jahren war.

Warum die Aufregung? "Es könnte sich um ein Stückchen Metall handeln, und das wäre schon etwas Besonderes", erklärt uns Archäologe Hans-Ulrich Glaser, einer der Grabungsleiter auf dem künftigen Baugelände der Autobahn A 38 bei Esperstedt.

Seit 1. Juni wird dort auf einem neuen Grabungsfeld, dem sogenannten Steinäcker, gearbeitet, und seit dieser Woche quasi mit Volldampf: Rund 100 Arbeiter und Techniker sind mit acht Archäologen in acht Teams dabei, Spuren der Vergangenheit zu sichern.

Die Gegend um Esperstedt ist für die Ärchäologen eine wahre Fundgrube, die schon 15 bis 20 Zentimeter unter der Oberfläche beginnt. Allein in den letzten drei Wochen wurden auf dem Gebiet, das früher mal eine Art Friedhof gewesen sein muss, mehrere Kreisgrabenanlagen entdeckt, in deren Mitte zum Teil Steinkistengräber gefunden wurden.

Ein ganz besonderer Fund war eine sogenannte schnurkeramische Bestattung. "Dabei handelt es sich um einen Mann, der in Hockerstellung beerdigt wurde und bei dem wir als Grabbeigaben zwei Tongefäße mir Schnurverzierung gefunden haben, außerdem zwei Klingen aus Feuerstein und ein Flintbeil - alles etwa 4 000 bis 4 200 Jahre alt", erzählt uns Archäologin Anja Grothe.

Der Autobahnbau ist für die Archäologen praktisch ein Glücksfall. "Wir wussten zwar, dass hier etwas ist, aber ohne die Autobahn hätten wir es nie finden dürfen" erklärt Glaser der MZ. "Jetzt sind wir aber durch das Denkmalschutzgesetz dazu verpflichtet, dieses Bodendenkmal zu dokumentieren, bevor es zerstört wird." Was viele nach Glasers Meinung nicht wissen: Die Kosten dafür trägt nicht das Land Sachsen-Anhalt, sondern die Autobahnbaugesellschaft.