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Am Rande der Gesellschaft Am Rande der Gesellschaft: Merseburgerin hilft Menschen mit Geld- oder sozialen Problemen

Von Oliver Müller-Lorey 05.02.2016, 11:07
Beate Hauptvogel hilft Menschen mit Geld- oder sozialen Problemen.
Beate Hauptvogel hilft Menschen mit Geld- oder sozialen Problemen. Wölk Lizenz

Merseburg - Die Fälle, die Beate Hauptvogel betreut, gehen so nah, dass sie vier Mal im Jahr eine Art psychologisches Gespräch darüber führen will. Mit ihrem „Supervizor“, wie die Gesprächspartner beim Paritätischen Wohlfahrtsverband - ihrem Arbeitgeber - heißen. Sie spricht dann darüber, wie Klienten, die sie betreut, sterben oder ins Gefängnis müssen. Aber das kommt zum Glück selten vor.

Beate Hauptvogel leitet seit 15 Jahren die „Beratungs- und Sozialisierungshilfe“ am Merseburger Roßmarkt. Zu ihr kommen Menschen, die mit einem Fuß am Rande der Gesellschaft stehen und abzurutschen drohen: Drogensüchtige, Schuldner, die kurz davor sind, ihre Wohnung zu verlieren, ehemalige Selbstständige, die nie krankenversichert waren, Ex-Häftlinge, Messis. Mit ihrem Team versucht sie, den sozial Schwachen zu helfen und führt Gespräche mit dem Sozialamt und dem Jobcenter. Sie besucht ihre „Klienten“, wie sie sagt, zu Hause, geht mit ihnen zu Ämtern und auch zum Arzt. Noch.

Soziale Ader war schon immer da

Denn in knapp zwei Wochen hat Beate Hauptvogel ihren letzten Arbeitstag. Dann geht die 63-jährige Merseburgerin in Rente und übergibt die Leitung an ihre Nachfolgerin. „Ich werde erst einmal die Freizeit genießen“, sagt sie. Ob sie Menschen ehrenamtlich weiter helfen wird, wisse sie noch nicht. Den Kontakt zu den Kollegen wolle sie auf jeden Fall halten. „Wir sind zusammengewachsen“, sagt sie.

Zu DDR-Zeiten arbeitete Hauptvogel in der Merseburger Papierfabrik und unterstützte Auszubildende, die Lernprobleme hatten. Die soziale Ader war schon immer da. Mit der Wende kam der Wechsel zum Paritätischen Wohlfahrtsverband. Seit 2001 steht sie Hilfesuchenden in Merseburg zur Verfügung.

Vieles kann einen aus der Bahn werfen

Die melden sich nicht immer selbst bei ihr. Manchmal wird die Beraterin auch von Vermietern angerufen, die kurz davor sind, ihre Mieter wegen Schulden vor die Tür zu setzen. Auf einen Erfolg ist sie besonders stolz: „Ich kenne keinen Klienten, der obdachlos geworden ist“, sagt die Mutter von zwei erwachsenen Kindern. Es gibt viele Gründe, warum Menschen abzurutschen drohen. „Wenn die Eltern oder Kinder sterben, dann lassen einige alles fallen“, weiß die Beraterin. Auf Briefe von Behörden nicht zu reagieren liege nicht immer an der Gleichgültigkeit der Leute - einige würden die Verfahren auch einfach nicht verstehen. Auch eine Scheidung, Drogen oder eine Krankheit könnten Betroffene aus der Bahn werfen. „Und viele sind Analphabeten. Sie können die Post und Bescheide nicht richtig lesen“, sagt Hauptvogel. Manche würden ihre Rechtschreibschwäche zugeben. Oft sei die ältere Generation davon betroffen.

Eine Beratung gelingt nicht immer, aber meistens. „Manche brechen die Hilfe auch ab, weil es ihnen zu viel wird“, sagt Hauptvogel. Doch das seien fünf Prozent oder noch weniger. Hauptvogel hat keine Sorge, dass ihrer Nachfolgerin irgendwann die Arbeit ausgehen könnte. „Die Bürokratie ist mehr geworden. Die Fälle seien umfangreicher als früher, die Armut habe sich seit Hartz IV verstärkt. Doch ein ganz wesentlicher Teil ihrer Arbeit ist schon immer gleich: Das Hoffen und Bangen, dass ihre Klienten auf dem Weg zurück in ein geregeltes Leben durchhalten, auch wenn es viel Mühe kostet. (mz)