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Poker ums Abwasser Abwassergebühren: Poker ums Abwasser - Baut der AZV Merseburg eine eigene Kläranlage oder nicht?

Von Michael Bertram 27.11.2018, 10:30
Der AZV betreibt in Schkopau eine Anlage, die das Abwasser vorreinigt, bevor es mit einer Druckleitung ins Klärwerk von Dow gepumpt wird. Die eigene Anlage soll nun erweitert werden, um die Abhängigkeit von Dow zu beenden. Allerdings dürfte das neue Werk wohl erst 2020 fertig sein.
Der AZV betreibt in Schkopau eine Anlage, die das Abwasser vorreinigt, bevor es mit einer Druckleitung ins Klärwerk von Dow gepumpt wird. Die eigene Anlage soll nun erweitert werden, um die Abhängigkeit von Dow zu beenden. Allerdings dürfte das neue Werk wohl erst 2020 fertig sein. Peter Wölk

Merseburg - Wenn sich ein Stadtrat zur Sondersitzung trifft, dann stehen wirklich wegweisende Entscheidungen an. So auch an diesem Mittwoch, wenn das Gremium im Merseburger Rathaus zusammenkommt: Dann geht es um nicht weniger als die Zukunft des Abwasserzweckverbands (AZV) Merseburg und die Geldbeutel von knapp 55.000 Bürgern.

Hintergrund ist ein echter Krimi um die Kosten der Entsorgung von Abwasser. Kurz vor der wichtigen Sitzung, in der zwei mögliche Wege vorgestellt werden, scheint der AZV jedoch bereits eine Entscheidung getroffen zu haben.

AZV Merseburg: Eigene Anlage geplant

Mehr als 15 Jahre lang hatte der Verband einen großen Teil seines Abwassers in der Industriekläranlage von Dow in Schkopau entsorgt: Zum Vorzugspreis von 47 Cent je Kubikmeter. Als Dow fast das Dreifache verlangte, kam es zum Streit, der in der bevorstehenden Scheidung endete. Denn seit geraumer Zeit plant der AZV bereits den Bau einer eigenen Anlage - die ab 2020/21 den Betrieb aufnehmen könnte.

Alles schien geklärt, bis vor wenigen Wochen plötzlich Dows Anlage den Besitzer wechselte. Und die Tochtergesellschaft des neuen Eigentümers, AWS, dem AZV ein verlockendes Angebot unterbreitete: Mindestens 20 Jahre zu 93 Cent pro Kubikmeter soll sich der Verband binden. Nun kommen alle Beteiligten ins Grübeln.

AZV Merseburg: „Wir wollen uns in fünf oder zehn Jahren nicht wieder fragen, wie es weitergeht“

Für den AZV ist die Marschrichtung aber wohl klar: „Wir wollen uns in fünf oder zehn Jahren nicht wieder fragen, wie es weitergeht“, erklärt Günter Teichmann, der seit zwei Jahrzehnten die Interessen der Kommunen und Bürger im AZV vertritt. Der Verband will sich wohl nach den schlechten Erfahrungen mit Dow unabhängig von Dritten machen und die eigene Anlage bauen.

„Wir hätten in diesem Fall die höchste Entsorgungssicherheit und Preisstabilität“, ist sich Teichmann sicher. Während die AWS 93 Cent verlangt, würde die Entsorgung in der eigenen Kläranlage zwischen 90 und 100 Cent kosten. Schon wenige Cent Unterschied bedeuten eine gewaltige Summe: Die Entsorgung macht mehr als ein Drittel der Gesamtkosten aus und beläuft sich pro Jahr auf mehrere Millionen Euro (siehe Grafik). Durch weniger Personal und selbsterzeugte Energie sollen die Preise auch künftig stabil gehalten werden, so Teichmann.

Seit Jahren schwelt der Streit um die Entsorgung des AZV-Abwassers. Die MZ gibt einen Überblick über die Entwicklung:
Zur Jahrtausendwende schließen der AZV und Dow einen Vertrag über die Entsorgung von Abwasser in der Kläranlage im Chemiepark Schkopau. Der Preis: 1,5 Millionen Euro pro Jahr.
Im Jahr 2014 wird bekannt, dass Dow den Vertrag zum 30. September gekündigt hat. Eine Nachlauffrist von einem Jahr gewährt jedoch erst einmal Entsorgungssicherheit. Dow fordert in einem Vertragsentwurf bis 2018 2,7 Millionen Euro, danach sollen 4,2 Millionen jährlich anfallen.
Im Jahr 2015 laufen Schlichtungsversuche, die mit einem Eklat enden: Dow fordert sofort 4,6 Millionen Euro. Der Streit geht vor Gericht. Bis zur Klärung gilt ein Vergleich.
Seit 2016 plant der AZV eine eigene Kläranlage, die 2020/2021 den Betrieb aufnehmen soll. (mz)

AZV Merseburg: Kosten nicht absehbar

Wie Merseburgs Oberbürgermeister und Vorsitzender der Verbandsversammlung, Jens Bühligen (CDU), ergänzt, sei unklar, wie viel AWS die Modernisierung der in die Jahre gekommene Dow-Anlage kosten wird und ob der AZV - und damit der Gebührenzahler - daran beteiligt werden würde. „Das ist eine Blackbox“, warnt Bühligen. Mit einer eigenen Anlage gehe man zudem Insolvenzrisiken eines Dritten oder Weiterverkäufen aus dem Weg, meint er.

Ängste, die die AWS für unbegründet hält. „Ich kann nachvollziehen, dass man jetzt skeptisch ist“, sagte AWS-Geschäftsführer Jochen Krüger der MZ. Vor dem Stadtrat am Mittwoch erklärte er, dass sein Unternehmen etwa sechs Millionen Euro in die frühere Dow-Anlage stecken muss. „Das hat jedoch keinen Einfluss auf die Preiskalkulation“, betonte er. Zweifel habe er aber mit Blick auf Zahlen des AZV: „Die Preise steigen, die Kalkulation wird nur unter optimalen Bedingungen aufgehen.“ Im schlimmsten Falle könnte der AZV laut ihm bei 1,15 Euro landen und damit deutlich über dem Angebot der AWS. (mz)