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10 Jahre Gebietsreform 10 Jahre Gebietsreform: Rosenhochzeit zwischen Merseburg-Querfurt und Saalekreis ohne Liebe?

Von Dirk Skrzypczak 21.11.2016, 07:50
2014 wurden die beiden Altlandräte Knut Bichoel (links) und Tilo Heuer, sie waren die wichtigsten Architekten des neuen Saalekreises, als verdienstvolle Bürger des Kreises geehrt.
2014 wurden die beiden Altlandräte Knut Bichoel (links) und Tilo Heuer, sie waren die wichtigsten Architekten des neuen Saalekreises, als verdienstvolle Bürger des Kreises geehrt. Peter Wölk

Merseburg - Im Frühjahr 2006 treffen sich die beiden Landräte Tilo Heuer (SPD, Merseburg-Querfurt) und Knut Bichoel (CDU, Saalkreis) mit ihren Dezernenten in der einzigen Gaststätte im Braunsbedraer Ortsteil Neumark. Heute sprechen die Protagonisten von damals von einer geheimen Sitzung, nicht aber Steffen Eichner (SPD), vor zehn Jahren Beigeordneter in „MQ“: „Es war ein Arbeitsgespräch, ein ganz wichtiger Termin. Wir wollten endlich Klarheit und eine sachliche Verständigung“, erzählt er. Die Kreisfusion 2007 steht an, und die Politiker im Saalkreis treiben den Süden mit ihren Forderungen vor sich her: Kreisname, Autokennzeichen, Kreisstadt. Die Themen werden im Norden besetzt, bis Heuer dazwischenfunkt.

Im nächsten Jahr wird der Saalekreis zehn Jahre alt, Nord und Süd feiern Rosenhochzeit. Statt wie andere Regionen in Sachsen-Anhalt auf die Zuordnung durch die Landesregierung mit Ministerpräsident Wolfgang Böhmer zu warten, finden Merseburg-Querfurt und der Saalkreis schon vorher zusammen. „Das war eine reine Vernunftsache. Es hätte uns ja passieren können, dass unser Saalkreis zerschlagen wird. Dann hätten alle umliegenden Kommunen ein Stück von uns bekommen“, erzählt Bichoel.

Merseburg-Querfurt war für den Saalkreis aber nur die zweite Wahl

Merseburg-Querfurt war für den Saalkreis aber nur die zweite Wahl. Der Norden wollte eine Allianz mit Bernburg. „Doch die Bernburger hatten Angst, dass wir zu klein bleiben“, erinnert sich Bichoel. Und so wurden die Verhandlungen mit dem Süden intensiviert. Vor zehn Jahren wie heute macht Bichoel übrigens keinen Hehl aus seiner Skepsis zu größeren Verwaltungsstrukturen: „Du wirst nicht automatisch reicher, nur weil du ein paar Tausend Einwohner mehr hast.“ Vielmehr würde bei immer größeren Gebilden die Heimatverbundenheit verloren gehen. „In Löbejün sieht doch keiner Querfurt als seine Heimat an.“

Kritiker der Kreisfusion picken sich in ihrer Argumentation zwei Fakten heraus: Das Personal, das in der Verwaltung arbeitet, und das Geld, das die Angestellten verdienen. Ein Ziel der Kreisgebietsreform sollte tatsächlich sein, die Arbeit effektiver und günstiger zu gestalten. Die nackten Zahlen sind ernüchternd. In Wahrheit sind die Personalkosten im Vergleich zu 2007 um zehn Millionen Euro auf rund 48,6 Millionen Euro geklettert. 938 Mitarbeiter sind heute beim Landkreis beschäftigt (ohne das Jobcenter), so viele wie vor zehn Jahren in den beiden Altkreisen.

Saalekreis-Landrat: Entscheidung von 2006 „als Erfolgsgeschichte“

Doch Frank Bannert (CDU), seit zehn Jahren Landrat im Saalekreis, sieht die Entscheidung von 2006 „als Erfolgsgeschichte“. Und bei den Kosten dürfe man nicht Äpfel mit Birnen vergleichen. „Wir haben heute ganz andere Aufgaben als 2007. Das fängt beim Asyl an und hört bei der Kinderbetreuung auf. Die Vergleichsrechnung hinkt“, sagt er. Stattdessen verweist er auf die positive wirtschaftliche Entwicklung des Kreises. So habe der Saalekreis einen ausgeglichenen Haushalt - der Alt-Saalkreis schleppte seinerzeit als Mitgift einen Fehlbetrag von 3,6 Millionen Euro in die kommunale Ehe mit hinein.

Der Schuldenstand sinke kontinuierlich, ebenso die Zinsbelastung. Gestiegen seien dafür die Investitionen. „Davon profitiert vor allem der Norden. Wir haben Schulen saniert, ebenso Straßen. Das hätte der Saalkreis so nicht geschafft“, sagt Bannert.

Saalekreis: Seit zehn Jahren viel Geld in die Infrastruktur

Eichner, seit 2013 Vizepräsident im Landesverwaltungsamt Halle, pflichtet Bannert bei. „Es fließt seit zehn Jahren viel Geld in die Infrastruktur, auch und vor allem in den Norden. Nur kommt das bei den Menschen nicht richtig an.“ Der Landrat glaubt auch zu wissen, woran das liegt. „Als kleinerer Partner hat man bei einer Fusion immer das Gefühl, benachteiligt zu sein. Das ging Querfurt 1994 mit Merseburg doch nicht anders.“ Hinzu komme, dass dem Alt-Saalkreis 1994 die erste Kreisgebietsreform erspart geblieben ist.

„Und deshalb hat dort auch niemand die Erfahrung gemacht, dass man in einer kommunalen Ehe Kompromisse braucht, damit das Ganze funktionieren kann.“ Ob und wie sich die Menschen dem Saalekreis verbunden fühlen, lasse sich schwer sagen. „Aber wir haben hoffnungsvolle Ansätze.“ Landrat a.D. Knut Bichoel sieht einen Knackpunkt in der unvollendeten A 143. „Wenn sie mal fertig ist, wird sie den Norden mit dem Süden ganz anders verbinden.“

Übrigens rankt sich auch um das mittige „e“ im Saalekreis eine Geschichte. In der CDU-Landtagsfraktion sollen die Abgeordneten Thomas Madl (Löbejün) und Nicole Rotzsch (Querfurt) heftig gerungen haben. Madl wollte den Saalkreis auch nach der Fusion ohne e, Rotzsch mit. Die heutige Bürgermeisterin gewann. Auch zehn Jahre später wird diese Episode noch gern erzählt. (mz)