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Wo Burschen Chef-Pferde sattelten

Von Raimund Leonard und Sylvia Czajka 12.09.2005, 16:43

Köthen/Weißandt/MZ. - Heinrich der Jüngere, letzter Herzog von Anhalt-Coethen, hatte bis zu seinem Tod im Jahr 1847 hier seine "Gäule" stehen. Die Kutschen befanden sich gegenüber in der Remise.

Hier also sattelten die Stallburschen das Lieblingspferd des "großen Chefs", striegelten sie die schönen und stolzen Tiere, bekamen mit Sicherheit auch einmal einen Hieb ab, wenn der Herzog mit ihnen unzufrieden war. Was nach dem Ableben des Herzogs im Stall passierte, ist wenig bekannt. Zuletzt sah es ziemlich staubig und rumpelig im Pferdestall aus, hatte dieser die Heizung beherbergt, die erst ausgebaut werden musste. Das Historische Museum bekam den Stall mit den dicken und dünnen barocken Säulen im Jahr 2001 zugesprochen. Planung und Umsetzung des Konzepts von der Restaurierung des Stalls stützen sich auf einen 60 Jahre alten Denkmalinventarband.

Museologe Jan-William Howard (50, "Der Stall ist mein Kind.") saß am Sonntag an einem alten Schemel, auf dem eine Kerze brannte und hieß die Besucher willkommen. Das Interesse der Köthener an ihrer neuesten musealen "Errungenschaft" war ausgesprochen groß. Falk Ostwald (36), Opa Karl-Heinz Prause und Tochter Isabell (9) hatten Sonntagvormittag bereits eine kleine Tour durch verschiedene Kirchen hinter sich, als sie ausgesprochen neugierig den Stall des Köthener Monarchen in Augenschein nahmen: Die Türen der Pferdeboxen - unten Holz, oben Schmiedeeisen - waren weit geöffnet, die meisten der Balken und Bretter rochen noch frisch nach Wald; bis kurz vor dem Denkmaltag hatten Handwerker und Helfer hier voll zu tun.

"Wir sind noch mittendrin", weist Howard auf verschiedene Arbeitstische im Hintergrund. "Noch längst ist nicht alles fertig." Mit Unterstützung der beiden Ein-Euro-Beschäftigten Regina Wolf und Dieter Westermann sollen z.B. alte Kummets restauriert, Wanne geflickt oder Riemen instand gesetzt werden. In den offenen Pferdebuchten fehlen noch die Futtertröge. Ebenso sind noch keine Ringe zum Anhalftern der Pferde angebracht. Es bleibt also noch vieles zu tun.

Neben dem "Wiederentstehen" des adligen Stalls hat die Sache noch eine weitere praktische Seite. "Wir brauchten dringend einen größeren Raum für verschiedenen Platz verlangende größere Ausstellungsstücke", erklärt Howard. So ist ganz hinten in der Ecke bereits ein großer Pflug zu bewundern. Es gibt außerdem Raum für alte Waschmaschinen, Öfen und anderes Gerät, die bisher in Magazinen oder stillen Ecken auf einen öffentlichen Auftritt warteten.

Neben dem Pferdestall soll das mittlere Teilstück des Marstalls auch als "Schaudepot" funktionieren. Pflug oder auch Zaumzeug stammen übrigens keineswegs aus Köthener Beständen. Howard hat sie aus allen möglichen Himmelsrichtungen geborgen und nach Köthen geholt, um lebendige Geschichte zu bieten.

Da die Arbeiten auch nach dem Denkmaltag weitergehen haben sich die Museumsleute einen "Trick" einfallen lassen. Die Ein-Euro-Jobber, aber auch Handwerker, sollen die Tür zum herzoglichen Stall während ihres Schaffens weit offen und Besucher hineinlassen. Eine Art "Baustellen-Visiting" könnte das werden, unkompliziert und ständig mit Neuem überraschend.

Vielleicht, deutet Jan-William Howard an, ziehen auch bei bestimmten Gelegenheiten leibhaftige Pferde vorübergehend in die Boxen ein, um alles einmal auch in voller Funktion zu zeigen oder auch, um ein komfortables "Notquartier" anzubieten.

Falk Ostwald, Tochter Isabell und Opa Karl-Heinz sind vom Marstall aus auf dem Weg zum Rathaus. Sie wollen den Turm besteigen. Am Nachmittag geht es dann noch zum Ratswall, "Minigolf spielen", verrät Vati Ostwald.

Und während sich Familie Ostwald noch im Köthener Marstall neugierig umschaute, läuteten in Weißandt-Gölzau die Glocken von St. Germanus. Hildegard Richter verpasst das Ereignis nie. So natürlich auch am Sonntag nicht. An einem Tag, an dem St. Germanus nicht zum Gottesdienst von Pfarrerin Alexandra Kroll-Janes seine Türen öffnete. Kirchenbücher aus fünf Jahrhunderten luden ein zum Blättern, zum Erinnern. Auch für Hildegard Richter.

Die 86-Jährige wohnt seit 1946 in Weißandt, fühlt sich wohl hier. Jahrelang war sie Organistin. Nun spielt Sabine Hänsch hier die Orgel. 18 Jahre ist sie alt. Wichtig sei für sie, dass es Spaß macht. Und das macht es, betont die junge Frau, die am Sonntag gern die Führung durch das Gotteshaus übernahm.

Nur ein paar Steinwürfe weit weg von St. Germanus ruht die Schlossruine von Weißandt-Gölzau. Dort ist Andreas Siegl vom Anhaltischen Förderverein für Naturkunde und Geschichte anzutreffen, der so manch' Interessantes über die so genannten Turmhügelburgen zu berichten weiß.

Und obwohl er sagt: "Ausgraben bedeutet zerstören, ist er Grabungstechniker geworden. In dieser Funktion wird er wohl auch bald in der Schlossruine wirken. Denn dort sind in naher Zukunft Grabungen geplant, informiert er auf MZ-Anfrage.