Wildschweine in Bitterfeld Wildschweine in Bitterfeld: Schwarzkittel im Visier

Bitterfeld/MZ - Karl-Heinz Ecke ist unter den Jägern ein alter Hase. Aber solch einen Schwarzkittel-Alarm, wie er derzeit mitten in Bitterfeld ausgelöst wurde, weil dort Wildschweine in Massen auftreten und die Bürger erschrecken, hat der Vorsitzende der Köthener Kreisjägerschaft noch nicht erlebt. „Da gab es vor Jahren mal eine Wildsau, die durch Köthen rannte“, erinnert sich Ecke. Aber das sei ein Einzelfall gewesen. Ein Tierarzt hatte das vermutlich von einem Hund aufgescheuchte Tier damals betäubt. Erinnern kann sich Ecke auch daran, dass sein Jagdhund mal einen Keiler im Schilf aufstöberte. Dem habe das gar nicht gefallen und so hat der Keiler dem Deutsch-Drahthaar mit „seinen Waffen in die Keule gestochen. Das hätte ich nie für möglich gehalten“, so Ecke.
Bitterfelder Wildschwein-Invasion
Auch Reinhard Rochlitzer von der Unteren Jagdbehörde des Landkreises ist von dem Ausmaß der Bitterfelder Wildschwein-Invasion überrascht. Man kenne das von den umliegenden Äckern, dass Wildschweine dort Schaden anrichten, aber in den Städten im Altkreis Köthen sei das derzeit überhaupt kein Problem, sagt er. Ganz anders in Bitterfeld. Wie Stadtsprecher Michael Mohr und der Revierjäger Harald Eisenmann gegenüber der MZ bestätigten, hat der Landkreis Anhalt-Bitterfeld inzwischen eine Ausnahmegenehmigung zur Jagd auf das Schwarzwild erteilt. Eigentlich ist die Jagd in Städten nicht erlaubt.
Die Jäger wollen die massive Wildschweinpopulation aber in die Grenzen weisen und zunächst in Bitterfeld-Süd Hochsitze für die Jäger errichten. Es werden auch Schilder aufgestellt, die die Jagdgebiete ausweisen. Die Jagd in der Stadt ist nicht ungefährlich. „Die Kugel bleibt nicht im Tier stecken, sie tritt aus. Unter Umständen kann sie noch drei bis fünf Kilometer weiter treffen“, erklärt Stefan Krause, Sprecher der Kreisjägerschaft. Zwar könne man auf diese Weise die Tiere nicht ausrotten, aber sie würden sich merken, wo ihnen Gefahr drohe. Auch Harald Eisenmann, der seit 15 Jahren Jäger in Bitterfeld ist, hat eine so starke Schwarzkittel-Population, wie sie in den vergangenen zwei Jahren an der Goitzsche herangewachsen ist, noch nicht erlebt. Der milde Winter werde den Vermehrungsdrang weiter fördern, wird befürchtet. 300 bis 400 Wildschweine leben im Goitzschewald, einem Gebiet, das mit 100 Exemplaren gut gefüllt wäre.
Obwohl die Gegend um Aken und Susigke derzeit in keiner Weise mit dem Zustand an der Goitzsche vergleichbar ist, was den Schwarzkittel-Alarm anbetrifft, so ist der Akener Jäger Michael Ziemer doch nicht ganz sorgenfrei. Auf dem alten Truppenübungsgelände in Richtung Dessau herrsche seit etwa zwei Jahren aus Umweltschutzgründen Jagdverbot, sagt er. Hier könnte das Schwarzwild künftig zum Problem werden, denkt nicht nur Ziemer. Auch Waschbär und Marderhund haben hier ihr Rückzugsgebiet. Der Wulfener Jäger Wolfgang Benda macht sich um eine Schwarzwild-Invasion derzeit keine Sorgen. Im Gegenteil, durch das Hochwasser im letzten Sommer seien die Schwarzkittel aus dem Gebiet um den Diebziger Busch und das Wulfener Bruch verstärkt abgewandert. Und zwar in Richtung Salzlandkreis zu den Kalkbergen, schildert Benda. Bis zu 50 Kilometer könnten die Schweine in einer Nacht wandern.
Schwarzkittel flüchteten vor Hochwasser
Auch Klaus-Dieter Brömmel, der sein Jagdgebiet im Raum Micheln hat, erzählt davon, dass die Schwarzkittel, die vor dem Hochwasser flüchteten, weil ihre Äsungs-Gebiete betroffen waren, nun langsam wieder zurückkommen. Als Leiter des Köthener Hegerings habe er aber von solchen Vorfällen wie in Bitterfeld noch nicht gehört.
Während sich die Schweine im Sommer unter anderem am Mais gütlich tun, finden sie ihr Futter im Bitterfelder Raum jetzt offenbar bequem an Mülltonnen und Kompost. Das führt auch dazu, dass sie an Gewicht zulegen. 80 bis 100 Kilo bringt ein ausgewachsenes Tier auf die Waage. Und was raten die Bitterfelder Jäger den Bürgern, die sich zunehmend bedroht fühlen? „Ruhe bewahren!“ Die Tiere seien in der Regel menschenscheu, nur mit führenden Muttertieren sei nicht zu spaßen. Deshalb Hunde im Freien an der Leine gehalten werden. Ansonsten nicht rennen und auf keinen Fall auf die Tiere zulaufen und versuchen, sie zu verscheuchen. Da Wildschweine schlecht sehen, könne es sein, dass sie die Flucht in Richtung Mensch antreten. Grundstücke sollte man einzäumen, Kompostanlagen verschließen und Haustiere im Haus füttern.