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Wenn falsche Scham ungesund wird

Von Wladimir Kleschtschow 08.10.2007, 15:58

Köthen/MZ. - Jeder dritte Mensch ab dem 40. Lebensjahr leidet unter Beschwerden beim Stuhlgang, hat unangenehme Empfindungen und Blutungen in der Analregion oder Kontinenzprobleme. Jedoch wenden sich immer noch viel zu viele Betroffene mit ihren Sorgen nicht an einen Arzt. Dem wollen vier Köthener Fachärzte nun verstärkt entgegenwirken.

"Während der Gang zu einem Frauenarzt oder einem Urologen inzwischen wohl für niemanden ein Problem ist, sind die Hemmungen hinsichtlich der Region des Afters noch sehr ausgeprägt", beobachtet Dr. Tobias Marcy, Chefarzt im Bereich Allgemein- und Visceralchirurgie des Krankenhauses Köthen. "Hier ist das Schamgefühl anscheinend noch sehr groß. Dabei lassen sich solche Beschwerden wie chronische Verstopfung, Nässen oder Juckreiz behandeln, auch wenn sie nicht immer vollständig behoben werden können."

Scham oder Leichtsinn?

Ob aus Schamgefühl oder aus Leichtsinn - oft würden dem Mediziner zufolge behandelbare Geschwülste im Analbereich von den Betroffenen verschleppt oder als Hämorrhoiden fehlinterpretiert. Dabei sei es jedoch äußerst wichtig, sich umgehend ärztlich untersuchen zu lassen. "Denn so ein Geschwulst könnte bösartig sein", so der Chefarzt. In einem solchen Fall sei der Faktor Zeit oft entscheidend für den Erfolg der Behandlung.

Ausbildung für Ärzte

In Sachsen-Anhalt gebe es noch nicht genügend Fachärzte, die zielgerichtet Patienten mit proktologischen Leiden - das sind Leiden des Analkanals und des Mastdarms - behandeln, so Marcy. Dafür sei eine spezielle Ausbildung erforderlich- verbunden mit einer Prüfung vor der Landesärztekammer.

In Köthen haben sich drei Ärzte auf dem Gebiet der Proktologie spezialisiert. Das sind neben Chefarzt Marcy der Oberarzt Olaf Mues aus dem Krankenhaus-Bereich für Allgemein- und Visceralchirurgie sowie Dr. Michael Schwerdtfeger aus der gastroenterologischen Praxis in der Köthener Schlosspassage.

Gemeinsam mit Chefarzt Dr. Georg H. Hübner, Gastroenterologe im Krankenhaus Köthen, haben sie ein übergreifendes Konzept der Diagnostik und Behandlung von Leiden des Analkanals und des Mastdarms erarbeitet. Dabei werden bei Bedarf spezielle Untersuchungsmethoden wie die Messung des Schließmuskeldrucks, die Darstellung der Stuhlentleerung unter Röntgendurchleuchtung (Defäkografie) sowie die Ultraschalluntersuchung des Analkanals eingesetzt.

"Ein Schwerpunkt ist die Behandlung von Hämorrhoiden", so Marcy. "Im frühen Stadium werden sie bei einer Darmspiegelung ambulant durch Verödung oder Abschnürung behandelt. Beim fortgeschrittenen Stadium gehört der Patient in die Hand des Chirurgen." Dabei würden im Krankenhaus Köthen verschiedene Operationstechniken angewendet, darunter die schmerzarme Stapler-Hämorrhoidopexie. Hier würden in einem einzigen Arbeitsgang der Gewebevorfall beseitigt, die Blutzufuhr gedrosselt und das Hämorrhoidenpolster exakt fixiert.

Ob eine Verstopfung, Hämorrhoiden oder hartnäckiger Juckreiz im Analbereich: Chefarzt Marcy rät nachdrücklich zu einem Besuch beim Hausarzt - ohne falsche Scham. Auch einen anderen Rat gibt der Mediziner gern: mehr Ballaststoffe in der Ernährung, ausreichend trinken und viel Bewegung für den Körper. Das ist nicht nur für das Körperteil gut, auf dem wir sitzen.