Von der Lust der Köthener, ausgelassen zu zechen
Köthen/MZ. - Welch' Ort wäre wohl für Neuigkeiten aus der Kneipenszene der Jahre 1877 bis 1947 besser geeignet als der "Felsenkeller", hinter dessen Türen einst kräftig gezecht wurde. Heute gehört das Gewölbe zur katholischen Kirchgemeinde Köthen und befindet sich auf dem Gelände von St. Anna. Eingeladen zu diesem heiteren und informativen Abend hatte der Kreisverband des Vereins für anhaltische Landeskunde.
Bernd Westphal hob gut gelaunt sein Wasserglas und begann seinen verbalen Ausflug über die Lokalitäten, die einst und teilweise heute noch das gesellige Leben in Köthen bestimmen. Aus 146 Kneipen, Hotels, Café-Häuser und anderen Lokalitäten konnten die Städter zwischen 1877 und 1947 wählen, plaudert er. 20 von ihnen verfügten sogar über eine Kegelbahn. Die modernste besaß "Die Weintraube", recherchierte Westphal. "Diese hatte nämlich drei Bahnen." Die wohl älteste Kegelbahn stamme aus dem Jahr 1863 und sei im "Prinz von Anhalt" errichtet worden.
Die hohe Anzahl an gastronomischen Einrichtungen, fuhr Westphal in seinen Ausführungen fort, habe Köthen auch dem Sitz zweier Hochschulen zu verdanken. "Sie haben durstiges Potenzial in die Stadt gebracht." Getrunken wurde meist Gerstensaft. Der in reichlicher Auswahl vorhanden war. Vom Kulmbacher Bier, über Reudnitzer, hin zur Dortmunder Union, dem Schade-Bier aus Dessau, Frischgezapftem aus der Allendorfer Brauerei Schönebeck, dem kühlen Schultheiss-Patzendorfer bis hin zum ABC-Bier von der Aktien-Brauerei Cöthen.
Bier, das natürlich auch im "Felsenkeller" floss, zwar nicht in neun Meter Tiefe, denn diese Räumlichkeiten waren der Lagerhaltung vorbehalten. 1863 sei es gewesen, dass der Dessauer Brauereibesitzer Dambacher sich entschloss, einen Bierkeller auf seinem Grundstück an den Mühlen in der Nähe der Baasdorfer Straße zu bauen, erzählte Westphal. In den Jahren darauf habe es viele Pächterwechsel gegeben. 1887 wird die Aktien-Brauerei Cöthen Eigentümer des Grundstücks und errichtet dort eine überdachte Kegelbahn. Ab 1937 gehörte "Der Felsenkeller" dem Gastwirt Richard Bedau. Dieser habe seinen Besitz 1949 an die katholische Kirche verkauft, die bis heute Eigentümer ist. 1960 wurde die Kegelbahn aufgrund der Baufälligkeit abgerissen.
Heute wird das Kellergewölbe zweimal im Jahr für Feierlichkeiten genutzt, informierte der katholische Pfarrer Armin Kensbock. Ein Problem: Die Feuchtigkeit in den Wänden. "Wir überlegen noch nach Lösungen", so Kensbock.
Die Feuchtigkeit störte die Zuhörer am Mittwochabend bei ihrem Ausflug in die Kneipengeschichte keineswegs. Bernd Westphals Erzählungen zogen in den Bann, sorgten für Heiterkeit. Und auf dem Trockenen musste auch niemand sitzen. So wie es Brauch ist hinter Mauern, die viel zu erzählen haben.