Vom Ringestechen bis zur wilden Kutschenjagd
Merzien/MZ. - Zum ersten Mal hatte der Pferdeexperte Hildebrandt in seine Pferdepension eingeladen - und er konnte mit dem Erfolg sehr zufrieden sein, denn zahlreiche Gäste drängten sich in dem Hof zwischen den Pferdeboxen und dem Vorführplatz, auf dem man die verschiedensten Spielarten des Pferdesports demonstrativ geboten bekam.
"Das war auch das Ziel des heutigen Tages", sagte Arno Hildebrandt. Zum einen den Gästen den Pferdesport nahe zu bringen, zum anderen aber auch, ihnen zu zeigen, wie man sich seit der Pferdepensions-Gründung berappelt hat. Denn Hildebrandt, obschon in diesen Tagen 52 Jahre alt geworden, hat den Sprung in die Selbstständigkeit erst vor gut zwei Jahren vollzogen. "Wir haben alles investiert, was wir hatten", sagt er. Zehn "Pensionäre" stehen heute in den Boxen, die Kapazität soll noch erweitert werden, die Nachfrage ist da und Hildebrandt will auch Reitern, die ihre Pferde von hier aus etwa zu Turnieren bringen, mehr Bequemlichkeit schaffen.
"Der Schritt in die Selbstständigkeit kam auch ein wenig aus der Not heraus", sagt er rückblickend. Der gelernte Metallbauer, der im Köthener Drehmaschinenbau gearbeitet hat, war arbeitslos geworden und besann sich darauf, das zu seinem Beruf zu machen, was bislang zwar schon mehr als nur ein Hobby gewesen war, aber eben noch kein Broterwerb: die Pferde. "Ich hatte ja immer mit Pferden zu tun gehabt", erklärt Arno Hildebrandt. Die Großeltern hatten eine Wirtschaft in Lausigk, Opa und Onkel waren Pferdezüchter - da war der Weg vorbestimmt, wenn auch über einen Umweg.
Und mit Hilfe der Stadtverwaltung Köthen; mit dem Ortschaftsrat in Merzien war Hildebrandt nicht zurechtgekommen, als er den Hof von der Treuhand kaufen wollte, "aber die Stadt hat mir geholfen". Er wisse nicht, ob er ohne diese Hilfe heute hier stünde, meint Hildebrandt.
Wobei stehen das falsche Wort ist. Der Hofherr muss überall und nirgends sein an diesem Nachmittag, hat noch hunderterlei Dinge zu entscheiden. Und muss natürlich selbst in den Sattel. Beim Ringreiten zum Beispiel, das als Oldiereiten ausgeschrieben ist - was ein wenig uncharmant ist der einzigen Dame gegenüber, die nach den Ringen sticht: Claudia Ullrich kommt immerhin auf Platz 6. Sieger wird Fred Mohs aus Hinsdorf, der seinen "Alfred" scharf an das Ringe-Tor heranreitet und dennoch alles vom Haken holt. Platz 2 geht an Erich Schoch, Dritter wird Arno Hildebrandt.
Zu den Vorführungen gehören auch Springreiten und Dressur, aber mit besonderer Aufmerksamkeit belohnt das Publikum die wilden Kutschwagenlenker, die ein- und zweispännig um allerlei Hindernisse herumkurven. Einer von den ganz Wilden ist Jürgen Richter aus Kösseln, der seinen Welsh-B-Hengst Darus durchs Gelände jagt, dass die Erde spritzt. Darus, ein kleiner, drahtiger Bursche, macht die Hatz offenkundig viel Spaß. Ross und Lenker haben schon beim Bundeschampionat der Kutschfahrer mitgemacht, "und wir waren immerhin im Mittelfeld", sagt der Blechklempner Richter, der in der fahrtfreien Winterzeit Wagen baut - für sich selbst, aber auch für andere.
Apropos für andere: Fast wie auf die Pferdevorführungen wartete ein großer Teil des Publikums auf die Kaffeezeit. Vermutlich weil sich schon herumgesprochen hatte, dass die weiblichen Mitglieder der Hildebrandt-Familie samt Verwandten und Freunden für eine wahre Orgie aus Mehl, Sahne, Eiern, Zucker und Zutaten gesorgt hatten: Unglaubliche 32 verschiedene Sorten Torten gab es zu probieren - von A wie Ananas bis Z wie Zitrone-Pfirsich. Wenn es mit der Pferdepension mal nicht mehr so klappt, wurde am Kaffeetisch leicht schmatzend gefrotzelt, könnten Hildebrandts glatt eine Tortenbäckerei aufmachen... Aber soweit wird es Arno Hildebrandt sicherlich nicht kommen lassen wollen.