Vernässung in Köthen Vernässung in Köthen: Eimerkette als symbolischer Protest

Köthen - Doreen Wilke und ihre Kinder sowie Herma Pechmann und ihre Nachbarin Christine Kuhn gehörten am Freitag mit zu den ersten Bürgern, die sich schon vor 16 Uhr am Sportplatz Ratswall einfanden, um die symbolische Entwässerungsaktion der Bürgerinitiative Anhalt zu unterstützen. Am Ende griffen rund 70 Bürger zum Eimer, um eine Kette von der Gartenanlage Lange Straße über den Sportplatz zur Ziethe zu bilden.
„Ich habe doch gewusst, dass wir eine Menge Leute zusammen bekommen“, freute sich Hans-Joachim Scholz, der dafür tüchtig die Werbetrommel gerührt hat. „Die Stadt soll zu ihren Fehlern stehen, die sie hier gemacht hat, und dafür sorgen, dass sich etwas ändert“, rief er in die Menge. „Das soll ein Denkanstoß für die Verwaltung sein, ihre Haltung zu korrigieren.“ Von rund 100 betroffenen Grundstücken und den dazugehörigen Häusern, die unter der Nässe leiden, spricht Scholz.
Auch wenn mancher Teilnehmer mehrfach vom Ende zum Kopf der Eimerkette wechseln musste, um die Ziethe zu erreichen, alle waren entschlossen, ein Zeichen in Richtung Rathaus zu setzen. Dort hatte der Stadtrat im Dezember 2014 den geplanten Bau einer Drainage zur Entwässerung der Grundstücke wegen zu hoher Kosten abgelehnt.
„Ich habe erst vor ein paar Monaten einen Garten in der Anlage Lange Straße übernommen“, schildert Doreen Wilke. „Da wusste ich nicht, dass es hier ein Wasserproblem gibt.“ Der Anbau von Obst und Gemüse im Garten gestaltet sich schwierig und auch die Kinder können sich nicht, wie erwartet, im Garten bewegen. Deshalb überlegt die junge Mutter, ob sich die Pacht für sie überhaupt rentiert.
Wie lange es die Grundwasser-Probleme schon gibt und wie welche zusätzlichen Kosten für die Dränage ein Gutachten ermittelt hat, lesen Sie auf der nächsten Seite.
Volker Reinhardt, der in der Leopoldstraße wohnt, hatte früher einmal einen üppig grünenden Garten. Wo auf 1.500 Quadratmeter einst Obst und Gemüse gediehen, wächst jetzt nur noch Schilf, beschreibt der Köthener. Das sei so, seit am Badeweg die Straße gebaut wurde und ein Teil der Drainage gekappt wurde, sagt er. Ähnlich sieht das Volker Flach aus der Leopoldstraße. Der Straßenbau am Ratswall habe ebenfalls dazu beigetragen, dass sich das Wasser nun zurückstaut. Die Stadtverwaltung könne doch nicht zusehen, wie ein Teil der Stadt absäuft, sondern müsse Sorge tragen, dass die zerstörte Drainage wieder funktionstüchtig wird.
Ohne das Geräusch der Pumpen im Ohr findet Familie Kuhn aus dem Ratswall 8a manchmal nicht in den Schlaf. Die laufen in Spitzenzeiten ständig, um das Wasser vom Haus fernzuhalten, wie Christine Kuhn erzählt. Seit 20 Jahren wohnen sie am Ratswall, seit zehn Jahren etwa haben sie das Problem. Auch bei Pechmanns nebenan macht sich das Schilf breit.
Aus der Maxdorfer Straße sind Gudrun Bagdahn und Dieter Junghans zur Aktion gekommen. Irgendwann sei das Wasser auch bei ihnen, befürchten sie. Im Moment ärgern sie sich aber vor allem über die „stinkende Brühe“ aus dem Regenrückhaltebecken nebenan, die öfter überläuft. Wegen des Schichtwassers am Ratswall, das nicht in die Ziethe geleitet werden dürfe, weil darin erhöhte Schadstoffwerte gemessen worden seien, mache die Stadt Theater, sagen sie. Die Brühe aus dem Becken laufe doch auch in die Ziethe.
Jörg Rosenkranz hat vor allem ein Problem mit der in einem Gutachten angegebenen Menge von 1.200 Kubikmetern Schichtenwasser pro Tag, das in die Ziethe gepumpt werden müsste. „Das ist bei Weitem nicht so viel“, sagt er. Was wiederum die vom Gutachter errechneten Kosten von zusätzlich 1,1 Millionen Euro für die Drainage in Frage stelle. Eine Zahl, hinter die auch Scholz ein dickes Fragezeichen setzt. (mz)
